Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 51. (2004)

MÜLLER, Mathias F.: Die Zeichnungen der Historia Friderici et Maximiliani

Mathias F. Müller Gerade jenes Selbstständigwerden Altdorfers, das im Umgang mit den Humanisten des kaiserlichen Hofes klar zur Geltung kommt und hier begründet liegt, drückt sich eben auch formal aus, und zwar in einer Unabhängigkeit seines souveränen Schaffens. Das Gedankliche wird dahingehend konkretisiert, dass er seine - ich möchte fast sagen - skurrilen Ausschweifungen im Motivischen aus der Frühzeit ablegt und den Ausdruck ganz in der sachlichen Wiedergabe der Erscheinungen der Sinnen weit sucht. Sein künstlerischer Gedanke wird um 1515 konkretisiert, er löst sich vom gewissermaßen rein physisch Ästhetischen und er vermag nun seine Gedanken und Vorstellungen sogar mit Fleisch und Körper zu umkleiden, anders gesagt, der manchmal noch fantastisch anmutende Zeichenstil seines Frühwerkes reift um 1515 nun zur gezielten Anatomie seiner Vorstellungswelt. Er kann sich selbst trotz seines noch immer eruptiven Zeichenstiles in der Historia, weil das Zeichengenie Albrecht Altdorfers reicher und vielfältiger ist, als die schulmäßige Dogmatik vermutet, doch schon so weit objektivieren, dass nicht nur das einzelne Motiv in einer geradezu kühlen Plastizität aktualisiert, sondern die Kompositionen insgesamt in einer überlegten Rhythmik angelegt wird. Dies führt zu einer größeren geometrischen Gebundenheit der einzelnen Gesten, die vom Körpermittelpunkt her ausgreifen, aber auch zu autonomen Körperhaltungen und Bewegungen innerhalb der Komposition. Diese Weiterentwicklung spiegelt sich auch in einer neuen Lichtgestaltung wider, welche die vielfigurigen Kompositionen großzügig zusammenfasst und logisch umklammert. Dadurch wird aber die Beweglichkeit und die räumliche Freiheit jeder einzelnen Figur nicht im Geringsten erschwert, im Gegenteil, die ehemals in sich verzahnte Figurenabfolge wird in kompakte und energisch agierende Gestalten mit individueller innerer Motivation weiterentwickelt. Diese somit erzielte innere Sachlichkeit in den Historialzeichnungen ist aber nicht zur Selbstzweck oder aus Altdorfers Willen entstanden, sich den damals hochmodernen Arbeiten Hans Burgkmaiers, Leonhard Becks oder Albrecht Dürers einfach nur anzugleichen. Denn die Historia ist ähnlich dem Miniaturentriumphzug und den sorgfältig ausgeführten Zeichnungen für das Gebetbuch über alles bisher geschehene Maß gehaltvoll. Ihre Skizzen sind trotz des schnellen Duktus nicht nur Illustration an sich, sondern die Meisterschaft Altdorfers vermochte es, dass sein ganzes Sentiment, das er beim unmittelbaren Zeichnen besaß, hineinfloss. Hier scheint mir das Höchste am Stil seiner mittleren Schaffensperiode und in den Zeichnungen der Historia zu liegen. 28

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