Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 51. (2004)
MÜLLER, Mathias F.: Die Zeichnungen der Historia Friderici et Maximiliani
Die Zeichnungen der Historia Friderici et Maximiliani Hans Mielke führt hier zuerst Altdorfers frühe, 1508 entstandene Berliner Zeichnung Venus und Amor an22 23 (Abb. 1), um die Gewandmotive mit der Historiazeichnung Herzog Friedrichs Wahl zum römischen König in Frankfurt zu vergleichen (Abb. 2). Dass hier die gleiche künstlerische Handschrift vorliegt, ist gewiss evident, betrachten wir aber mal grundlegend das räumliche Verhältnis von Faltensteg zu Faltenmulde, dann bemerken wir bei den Zeichnungen der Historia doch eine plastischere Durchformung als bei der Venus. Auch bei dem Blick auf die Röcke insgesamt zeigt sich, dass sich die Venus flächig auf dem Blatt ausbreitet, also keinen Kegel bildet, während die Figuren der Historia klar axial zentriert sind und somit räumliche Verschränkungen besitzen. Dies ist besonders am Rocksaum zu beobachten, wo schon ein wesentlich belebterer Umriss festzustellen ist. - Meiner Einsicht nach ist dies ein Indiz für eine Weiterentwicklung hin zum Räumlichen und zeigt somit eine strukturell andere Sichtweise Altdorfers auf. Hier hat offenbar bereits jene innerliche Abklärung Altdorfers stattgefunden, die auf die Arbeiten Leonhard Becks und Albrecht Dürers zurückzuführen ist. Altdorfer konnte zuvor im Zuge seiner Tätigkeit für den Kaiser deren Werke sehen.24 25 Auch Mielkes Vergleich vom Amor des Berliner Blattes mit dem kleinen Maximilian aus dem Blatt Das erste Bad des Erzherzogs Maximilian25 (Abb. 3) zeigt naturgemäß - weil dieselbe Künstlerpersönlichkeit - noch immer morphologische Gemeinsamkeiten auf, im Detail aber sieht man, wie der Amor des Berliner Blattes ähnlich dem Rock der vorher analysierten Venus, nur als rein flächiges Gebilde aufgefasst, also als Motiv interpretiert wurde, während der kleine Maximilian aus dem Historiablatt bereits plastisch herausgearbeitet ist, sich klar nach rechts wendet und ihn atmosphärischer und duftiger Raum umgibt. Im Übrigen ist auch der Strich feiner geworden. Diese Verfeinerung, die nicht nur im zeichnerischen Detail Berücksichtigung fand, sondern von Altdorfer auch prinzipiell auf die gesamte Komposition angewandt wurde, bedeutet wohl, dass den Zeichnungen der Historia schon eine ganze Reihe von Werken vorangegangen sein müssen, an denen sich Altdorfer schulen konnte und dass uns hier eine gänzlich neue Sichtweise begegnet. Dies äußert sich in einem neuen Verhältnis von Figur zu Raum, wobei eine komplexe Kombination von aus Massenaktionen aufgebauten Einzelepisoden mit den die Szene wesentlich bestimmenden und individuell bewegten Gestalten festzustellen ist. Hier gewinnt die Massenszene wohl an Bedeutung, ohne aber die räumliche Vielfalt und den Einzelwert der Figuren zu vernachlässigen. In gleichem Atemzug setzt Mielke dann aber die W i n z i n g e r : Altdorfer - Zeichnungen, Nr. 9; Mielke: Altdorfer, Nr. 22. 23 Benesch - Auer : Historia, Nr. 2. Vgl. auch Nr. 5: Kaiser Friedrichs III. politische Grundsätze. 24 Vgl. M ü 11 er : Altdorfer - die rapide Entwicklung seines figürlichen Stils, S. 251, Abb. 16. 25 Benesch - Au er : Historia, Nr. 16. 17