Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 51. (2004)

DEUSCH, Engelbert: Ein Versuch die österreichische Protektion auf das Fürstentum Montenegro auszudehnen

wie durch die seither von seiner Seite eingehaltene Politik gegenüber Österreich weiteren Fortbestand erhalten konnte. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Revolution des Jahres 1848, welche in Serbien die dynastische Frage einstweilen in den Hintergrund drängte, es dem Fürsten Kara Georgyevics allein möglich machte, sich zu behaupten. Sein geschwächtes und allseitig heruntergekommenes Ansehen konnte er nur durch ein festes Auftreten in der Unterstützung der erwachten Ideen des Südslaventums retten, und hauptsächlich dadurch, daß er gegenüber dem überwiegenden Einflüsse Vudsits, welcher als Wojwod21 und durch große Popularität sich zum Vormunde des Fürsten aufgeworfen hatte, einer anderen Persönlichkeit nämlich Knicanin Popularität und Bedeutung zu verschaffen sich bemühte. Die Sukzesse und der Kriegsruhm Knicsanin's, der ihm bald die allgemeine Sympathie der Südslaven erwarb, und die durch das zahlreiche Zuströmen zu seinen Fahnen bestätigte nationale Teilnahme, krönten die Politik des Fürsten Kara Georgyevics auch wirklich mit solchem Erfolg, dass während des Krieges in den Jahren 1848-1849 seine früher so mächtig und Gefahr drohende Gegenpartei gänzlich paralysiert und zum Schweigen gebracht worden ist. Wenn ich bei der Darstellung dieser Vorgänge im serbischen Lande und insbesondere bei der politischen Haltung des Fürsten Kara Georgyevics etwas länger verweile, so geschieht es aus dem Grunde, weil ohne genaue Kenntnis der damaligen Zustände des Fürstenthums eine Erklärung der jetzt auf dem südslavischen Gebiete zu Tage kommenden Erscheinungen geradezu unmöglich gemacht wird. Insbesondere glaube ich Euer Exzellenz den Umstand nicht genug hervorheben zu dürfen, daß Kara Georgyevics keineswegs aus Anhänglichkeit für Österreich, sondern einzig und allein durch die Sorge für seine Selbsterhaltung bewogen wurde die während des Revolutionskrieges für die Monarchie so heilbringende Politik einzuschlagen. Es ergibt sich nun die Frage, welche notwendige Folge dieses politische Verhalten des Fürsten Kara Georgyevics auf die Südslaven im Allgemeinen, also auch auf den Gang der Politik ausüben werde, welche Österreich in den an uns grenzenden türkischen Ländern zur Richtschnur nehmen muß, falls in jenen Gegenden, wie zu erwarten steht, eine neuerliche südslavische Erhebung plötzlich zum Durchbruch kommen sollte. Bevor wir unsere Ansichten darüber entwickeln, muß vor allem auf den gewaltigen Unterschied der Motive hingewiesen werden, welcher zwischen den früheren gegen die Autorität der Pforte unternommenen Bewegungen in den in Zukunft möglichen obwaltet. Die ehemaligen Aufstände und Kämpfe in diesen Teilen des türkischen Reiches waren nichts anderes als Auflehnungen der unterdrückten Christen gegen die Tyrannei und unerträgliche Willkür ihrer mohammedanischen Machthaber, und kamen gleichsam sporadisch ohne organischen Zusammenhang zu verschiedenen Perioden und in verschiedenen Provinzen zum Vorschein. Als ganz natürliches Resultat der Ereignisse des Jahres 1848 im Süden der Monarchie und der Teilnahme Serbiens daran ist aber jetzt das nationale Bestreben der Vereinigung aller südslavischen Stämme ein allgemeines geworden und in den Vordergrund getreten, wobei die religiöse Frage noch immer eine der mächtigsten Faktoren, nicht mehr allein die Hauptrolle spielt. Der nächste Aufstand gegen die Pforte wird somit nicht vereinzelt dastehen, sondern es muß sich notwendiger Weise die nationale Vereinigung sämtlich südslavischer Länder als bedingendes Moment desselben heraussteilen. Kara Georgyevics und seine Minister haben diese Idee als Hebel zur Behauptung ihrer Gewalt propagiert und ausschließend gebraucht und können bei einer eventuellen Krisis in der europäischen Türkei nur an der Spitze dieser von ihm angeregten und in ihrem Interesse ausgebeuteten Idee sich auf der Höhe ihrer Macht erhalten. Man darf sich daher kein Hehl darüber machen, daß der gegenwärtige Fürst Engelbert Deusch 21 Wojwode - ursprünglich slawische Bezeichnung für Heerführer, später auch für hohe Beamte. 146

Next

/
Thumbnails
Contents