Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 51. (2004)
DEUSCH, Engelbert: Ein Versuch die österreichische Protektion auf das Fürstentum Montenegro auszudehnen
Ein Versuch die österreichische Protektion auf das Fürstentum Montenegro auszudehnen Die Tyrannei des Fürsten Milosch und die Opposition, welche sich seit dem Jahre 1835 in mehreren blutigen Aufständen gegen dieselbe kundgetan, konnten benutzt werden, und wurden auch in unserem Interesse ausgebeutet. Hadsics17 und Lazarowics, zwei geborene Österreicher, waren mit Erlaubnis der Regierung nach Serbien gegangen um ein Gesetzbuch für das Fürstenthum auszuarbeiten. Die bisher regellose Opposition fand an Hadsics einen organisierenden Führer, Milosch wurde zur Annahme der von Letzterem ins Leben gerufenen Verfassung gezwungen und dankte endlich zu Gunsten seines Sohnes gänzlich ab. Von Seite der eingeborenen Serben waren es vor allem Vudsits18 und Petronyevics, deren Einfluß Hadsics zur Erreichung seines Zieles gebrauchte. Diese Abdication des Fürsten Milosch war das erste Symptom eines neu gekräftigten österreichischen Einflusses im serbischen Lande, der seinen Kulminationspunkt erreichte, als auch sein Sohn Michael19 gestürzt und die Familie des Kara Georg20 ans Ruder gelangte. Hier ist es der Ort zu erwähnen, daß die Familie Obrenovics stets Bestrebungen der slawischen Emanzipation gegen die Pforte auf das Eifrigste unterstützte, wodurch es Vudsits und Petronyevits möglich wurde, in Konstantinopel eine so kräftige Unterstützung zum Sturze dieser Familie zu erlangen. Es war nämlich kein Geheimnis, daß Michael dem bulgarischen Aufstand im Jahre 1840 kräftigen Vorschub leistete, sich nicht scheute, als der Aufstand mißglückte, 12 000 flüchtige Bulgaren auf seinem Gebiete aufzunehmen, für die er mit Beihilfe der russischen Diplomatie in der Folge eine Amnestie bei der Pforte erwirkte. Durch die Tatsache, dass Kara Georgyevics [=Karadjordjevic] Fürst von Serbien war und durch die Anwesenheit Hadjits der maßgebend auf die Handlungen der Regierung einwirkte, war der so notwendige politische Einfluß Österreichs in diesem Lande fortgesetzt. Allein nach der traditionellen Politik der halben Maßregel glaubte man, daß auch diesmal halbe Schritte genügen könnten, unterstützte Hadsits sehr wenig, während Russland alle Anstrengungen machte, seinen momentan verlorenen Einfluß wieder zu erlangen, und die gegen Kara Georgyevics gerichtete Opposition so erfolgreich unterstützte, dass Hadsits im Jahre 1846 nach Österreich zurückkehren mußte. Von da bis zum Jahre 1848 war der russische Einfluß fortwährend im Zunehmen begriffen und wurde durch die notorische Annäherung von Vudsits an die Partei Obrenovics so mächtig, daß bereits gegen Anfang des Jahres 1848 die Existenz des Kara Georgyevics als Fürst in Frage kam, und nur durch den unvermuteten Ausbruch der südslavischen Bewegung in den österreichischen Staaten, so 17 Im Memorandum wurde Hadsics und Hadsits geschrieben, heutige Schreibung: Hadzic Jovan (1799- 1869), Pseudonym Milos Svetic, Jurist, Politiker und Literat. Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas, München 1976, Bd. II, S. 111-113. Hadzic „gehörte zu den herausragendsten Persönlichkeiten des kulturellen und politischen Lebens der Serben der Vojvodina und war währemd seines Belgrader Aufenthaltes (1837-1846) ein einflußreicher juristischer Fachmann der Konstitutionalisten“. Behschnitt, Wolf Dietrich: Nationalismus bei Serben und Kroaten 1830— 1914. Analyse und Typologie der nationalen Ideologie. München 1980, S. 63. 18 = Vucic Perisic, Torna, serbischer Politiker, *Barié 1787/90, tBelgrad 13.7.1859. Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. München 1981, Bd. IV, S. 448 f. 19 (1823-1868), herrschte nach Abdankung seines Vaters Milos und kurzer Regierung seines Bruders Milan von 1839-42. Durch einen Aufstand vertrieben, kehrte er mit Milos aus dem Exil zurück. Nach dessen Tod kam er nochmals zur Regierung von 1860-68, wurde ermordet. 20 Alexander Karadjordjevic (1806-1885), Sohn des Karadjordje, wurde 1842 gegen Russlands Willen zum Fürsten gewählt. Trotz Modernisierung der Verwaltung und kulturellem Fortschritt zwang ihn russischer Einfluss 1858 zur Abdankung. 145