Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 50. (2003) - 200 Jahre Russisches Außenministerium
LEITSCH, Walter: Die ersten 300 Jahre in den Beziehungen zu Österreich
Walter Leitsch konnte. In der Regel haben die Beziehungen von Staaten, die nicht Nachbarn sind, gemeinsame Nachbarn zum Gegenstand. So war es auch in unserem Fall, erst im 18. Jahrhundert änderte sich das, als man zur Verhinderung lästiger Störungen des Mächtegleichgewichts auch an Konflikten gegen Nichtnachbarn teilnahm, in unserem Fall eben Russland in der Mitte des 18. Jahrhunderts an Aktionen gegen Preußen, mit dem es erst von 1795 an eine gemeinsame Grenze hatte. Die beiden gemeinsamen Nachbarn Russlands und Österreichs - Polen und das Osmanische Reich - waren auch die wichtigsten und oft über längere Zeiträume die einzigen echten Inhalte der Beziehungen zwischen den Kaisern und den Großfürsten bzw. Zaren. Natürlich haben die russischen und österreichischen Diplomaten gelegentlich auch andere und nicht immer ausschließlich polnische und osmanische Probleme besprochen. Doch nur eines dieser Themen soll auch in einem Überblick wie diesem nicht fehlen - die Ostseeprobleme, denn reichte das Reichsgebiet an die Ostsee und drei der Anrainerstaaten - Polen, Schweden und der livländische Zweig des Deutschen Ordens - waren Nachbarn des Moskauer Staates, der zeitweise ganz von der Ostsee abgeschnitten war. Hatten die Moskauer Zugang zur Ostsee, dann war der Küstenstreifen für die Anlage eines Hafens nicht geeignet. Diese widrigen Umstände schadeten dem Außenhandel des Landes ganz erheblich, ein Hafen an der Ostsee war dringend nötig. Den Zugang zur Ostsee mussten sich die Moskauer vorerst gegen den Ritterorden, dann gegen Schweden und Polen-Litauen erkämpfen, also die beiden Länder, die nach Auflösung des Ordens dessen Territorium erwarben. Ivan IV. bemühte sich in einem langen Krieg, den Zugang zum Meer zu erkämpfen (1558-1583 mit Unterbrechungen), konnte das Ziel jedoch nicht erreichen. In den vielen Jahren haben auch die Diplomaten nicht geruht, versuchten den Krieg auf dem Weg von Verhandlungen zu beenden. Unter anderem haben auch kaiserliche Diplomaten an Verhandlungen teilgenommen, doch das Gewicht des Kaisers war in dieser Region in der Frühneuzeit zu gering, er konnte nicht gestaltend mitwirken.16 Überdies war die Zugehörigkeit Livlands zum Reich umstritten und fraglich. Als die Moskauer in den Fünfzigerjahren des 17. Jahrhunderts einen weiteren Versuch unternahmen, an die Ostsee vorzustoßen, war die Lage ganz anders. Nun mussten sie hier nur gegen Schweden kämpfen, und das war durchaus ein für Österreich günstiger Vorstoß, waren doch die Schweden seit dem Dreißigjährigen Krieg besonders lästige Feinde des Kaisers, sodass er nun bereit war, mit den Moskauern zusammenzuarbeiten, doch auch dieser kurzen Aktion Moskaus blieb der Erfolg versagt.17 Erst Peter der Große konnte in einem zwanzig Jahre lang dau16 Uebersberger: S. 308-371. 17 Das Interesse für die Ereignisse der Jahre 1654-1661 war in Bezug auf unsere Thematik nicht sonderlich groß. Zernack, Klaus: Rußland und Schweden im 17. Jahrhundert, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 10 (1962), S. 103-116; Kon op c zy ii sk i, Wtadystaw: Dzieje Polski no- wozytnej, Bd. 2, Warszawa etc. 1936, S. 2; Jerusalem, Edmund: Die Teilnahme Österreichs am ersten Nordischen Kriege bis zu den Verträgen von Wehlau und Bromberg 1655-1657, in: Jahresbericht der k. k. Staats-Oberrealschule im XV. Bezirke von Wien, Bd. 34, Wien 1908; Opitz, Eckhardt: Österreich und Brandenburg im Schwedisch-Polnischen Krieg 1655-1660. Vorbereitung und 70