Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 50. (2003) - 200 Jahre Russisches Außenministerium

LEITSCH, Walter: Die ersten 300 Jahre in den Beziehungen zu Österreich

ernden Krieg gegen Schweden den Zugang zur Ostsee erkämpfen, doch zu der Zeit war der Kaiser zu sehr mit anderen Problemen beschäftigt, spielte daher keine Rol­le, nahm jedoch mit Wohlgefallen den Niedergang Schwedens zur Kenntnis. Dieses Land hat dann im Jahre 1726 eine Rolle gespielt, die nach der Vorgeschichte des Dreiecks Kaiser-Russland-Schweden kaum jemand voraussehen hätte können. Zu Beginn der Beziehungen zwischen den Kaisern und den Großfürsten bzw. Za­ren stand im politischen Konzept Moskaus ganz eindeutig Polen-Litauen im Zent­rum des Interesses. Bis zur Zeit Peters des Großen war die Außenpolitik der Groß­fürsten und Zaren - allerdings mit gewissen Unterbrechungen - geprägt von dem Sammeln des russischen Landes, also dem Bestreben, unter Moskaus Herrschaft alle Gebiete zu vereinen, die zum Kiever Staat gehört hatten. Es war eine große Aufgabe, alle die kleinen Fürstentümer unter eine Herrschaft zu bringen, es war jedoch eine sehr schwere und kraftraubende Aufgabe, die Gebiete zu gewinnen, die im Spätmittelalter zu Teilen des polnischen Königreichs und des Großfürstentums Litauen geworden waren. Es war dies eine ideologisch bedingte Außenpolitik, denn die Gebiete, die man gewinnen wollte, brachten wirtschaftlich keinen nennenswer­ten Gewinn, während die Befriedung der südlichen Gebiete und der Zugang zur Ostsee großen wirtschaftlichen Nutzen gebracht hätten.18 Ideologisch bedingte Au­ßenpolitik ist in der Regel nicht flexibel, dafür aber zielstrebig. Die Habsburger hatten eigentlich keine gravierenden Probleme mit Polen- Litauen, aber sehr wohl mit der Herrscherfamilie, den Jagellonen, die nicht nur Könige von Polen, sondern auch Könige von Ungarn und Böhmen waren und als solche vor allem Rivalen der Habsburger. Solange Kaiser Maximilian I. diese Riva­lität mit den Jagellonen um die Vorherrschaft in Mitteleuropa nicht zu Gunsten der Habsburger entscheiden konnte, war für ihn der Moskauer Großfürst ein willkom­mener Bundesgenosse, um zumindest auf die Jagellonen Druck auszuüben. Bis zum Ausgleich der Interessen im Jahre 1515 schloss der Kaiser auch Abkommen mit Moskau, doch danach wollte er zwischen Polen und dem Moskauer Staat einen dauerhaften Frieden vermitteln, um beide als Bundesgenossen im Kampf mit dem Osmanischen Reich zu gewinnen. So waren die beiden Länder von Anfang an - und bis zum Ende - die gemeinsamen Anliegen, über die man sich verständigen musste. Letztlich hatten die kaiserlichen Diplomaten keinen Erfolg, sie konnten den Mos­kauern nicht einreden, dass sie nicht Polen-Litauen, sondern das Osmanische Reich als ihren ärgsten Feind ansehen. Nach sechzehn Jahren gaben sie es vorläufig auf, obwohl die Probleme nach wie vor äußerst gravierend waren. Erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts nahm man die Bemühungen wieder auf, und da gab es sogar ganz geringe Erfolge. Doch zu Beginn des 17. Jahrhunderts haben innere Kämpfe emp­findliche Rückschläge für die Moskauer gebracht, sodass die Beziehungen zu Po­len-Litauen für mehr als ein halbes Jahrhundert in einer für die kaiserliche Politik Die ersten 300 Jahre in den Beziehungen Russlands zu Österreich Durchführung der Feldzüge nach Dänemark und Pommern, Boppard 1969 (= Militärgeschichtliche Studien, Militärgeschichtliches Forschungsamt 10). 18 Handbuch der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 4, Stuttgart 1993, S. 767, S. 789-790. 71

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