Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 50. (2003) - 200 Jahre Russisches Außenministerium

LEITSCH, Walter: Die ersten 300 Jahre in den Beziehungen zu Österreich

Österreicher mehr die Russen als umgekehrt, gab auch die Altkaiserin der Neukai­serin den gewünschten Titel (1746).9 Der Titel war das wichtigste, sichtbarste und für den Kaiser wertvollste Teilstück der kaiserlichen Prärogativen, doch letztlich nur ein Stück unter vielen, manche andere hat man dem Altkaiser bzw. der Altkaiserin belassen, sodass es noch 1781 Schwierigkeiten gab, als Katharina II. Joseph II. noch eines weiteren Stückes seiner altkaiserlichen Accessoires entkleiden wollte, doch hat sich Joseph, ansonsten nicht gerade ein Bewahrer des Alten, strikt geweigert, die Wünsche Katharinas zu erfül­len. Deshalb konnte eine Allianz nicht nach bewährter Art geschlossen werden, sondern nur durch zwei private Schreiben der beiden Souveräne.10 11 Im folgenden Jahrhundert gewöhnte man sich dann an die Vermehrung der Neukaiser. Über die Beziehungen zwischen dem Kaiserhof und dem Moskauer Staat bzw. dem Russischen Reich sind wir gut informiert. Die Akten sind auf Seiten Moskaus und Petersburgs in erstaunlicher Fülle erhalten und bis zum Ende des 17. Jahrhun­derts (bis 1699) ediert." Von den österreichischen Akten sind nur gelegentlich ein­zelne Stücke ediert,12 doch ist viel erhalten, sodass man auch die Perioden klar er­kennt, in denen es keine oder nur zweitrangige und indirekte Beziehungen gab. So waren die Beziehungen von 1489 bis 1531 recht rege. Dann kam eine Pause von 40 Jahren,13 von 1572 bis 1617 gab es wieder rege Beziehungen und danach eine Pause bis 1654.14 Dann gab es nur noch gelegentlich kurze Unterbrechungen.15 Die Intensi­tät der Beziehungen ist erstaunlich, denn hatten während der hier zu behandelnden etwas mehr als 300 Jahre, genau bis zum Jahre 1793, das Russische und das Mittel­europäische Reich der Habsburger keine gemeinsamen Grenzen. Das bedeutete, dass die Beziehungen bis dahin nie nur österreichisch-russische waren; es war im­mer noch ein Dritter im Spiel. Das bedeutete aber vor allem auch, dass es die längs­te Zeit keine wirklichen Konflikte wegen Gebietsansprüchen oder Ähnlichem geben Die ersten 300 Jahre in den Beziehungen Russlands zu Österreich 9 Florovskij, A. V.: Stranica istorii russko-avstrijskich diplomaticeskich otnosenij XVIII v., in: Feodal’naja Rossija vo vsemimo-istoriceskom processe. Sbomik statej. Moskva 1972, S. 389-397; Wittram, Reinhard: Peter I, Czar und Kaiser. Zur Geschichte Peters des Großen in seiner Zeit. 2 Bde., Göttingen (1964), Bd. 2, S. 468-473; Leitsch : Wandel. S. 73-76. 10 Madariaga, Isabel de: The Secret Austro-Russian Treaty of 1781, in: Slavonic and East European Review 38 (1959), S. 114-145, hier S. 120-124. 11 Pamjatniki diplomaticeskich snosenij drevnej Rossii s deriavami inostrannymi. 9 Bde., S. Petersburg 1851-1868; B a n t y § - Ka men skij , N. N.: Obzor vnésnich snoäenij Rossii (po 1800 gody). Cast' pervaja. Moskva 1894, S. 1-90. 12 Besonderer Beliebtheit erfreute sich der Bericht von Niklas Warkotsch von Nobschitz auf Wil­helmsdorf aus dem Jahre 1589, er wurde mehrfach ediert. Dazu zuletzt: Orl o v, V. A.: Novye dan- nye o posol'stve Niklasa von Varkoca v 1589 g., in: Sovetskie archivy (1985), 2, S. 75-77. 13 Uebersberger: S. 250, S. 403, S. 405. 14 Uebersberger: S. 405-575; Leitsch, Walter: Moskau und die Politik des Kaiserhofes im XVII. Jahrhundert. I. Teil: 1604—1654, Graz-Köln 1960, passim und S. 252 (= Wiener Archiv für Geschichte des Slawentums und Osteuropas. Veröffentlichungen des Instituts für osteuropäische Geschichte und Südostforschung der Universität Wien, 4). 15 B an t y § - Ka men sk i j: S. 20-90. 69

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