Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 50. (2003) - 200 Jahre Russisches Außenministerium
LEITSCH, Walter: Die ersten 300 Jahre in den Beziehungen zu Österreich
Walter Leitsch ge der Beziehungen mit anderen Ländern betraut wurde. Zu ihren Aufgaben gehörte es auch, dafür zu sorgen, dass Dolmetscher Gespräche ermöglichten. In Moskau gab es also schon sehr früh eine eigene Behörde, die für die Beziehungen mit anderen Staaten zuständig war. Eine Behörde dieser Art gab es am Kaiserhof nicht. Bis 1620 war die Außenpolitik eine der Aufgaben des Reichsvizekanzlers, der nicht nur dem Kaiser, sondern auch dem Reichskanzler, also dem Erzbischof von Mainz, einem der drei geistlichen Kurfürsten, unterstellt war. 1620 schuf der Kaiser die Österreichische Hofkanzlei, und von da an gab es eine Rivalität der beiden Kanzler, die jedoch beide mit vielen verschiedenen Aufgaben der Verwaltung betraut waren.2 Der nach Abschluss des Vertrages im Jahre 1726 nach Petersburg entsandte Diplomat, Amadeus Graf Rabutin et Bussy berichtete beiden Kanzlern. Im Rahmen der Reform des Jahres 1742 übertrug man die Führung der Außenpolitik der Geheimen Haus-, Hof- und Staatskanzlei. Die Zahl der Aufgaben wurde zwar geringer und das Gewicht der Außenpolitik größer, doch einen reinen Außenminister hat es bis zum Ende der Habsburgermonarchie nicht gegeben, denn auch der Letzte war immer auch noch oder vor allem Minister des kaiserlichen Hauses.3 Die Ordnung in Moskau bzw. Petersburg war für die Bewältigung der Aufgaben zweifellos günstiger. Die Diplomaten des Kaisers betraten auch deshalb Neuland, weil sie in einen Teil Europas kamen, von dem man nur sehr wenig wusste. Berichte über den Moskauer Staat erschienen erst vom Jahre 1517 an. Die Ersten waren kleine Texte mit wenigen Angaben und waren eigentlich nicht geeignet, Diplomaten auf ihre Tätigkeit vorzubereiten. Die versorgte mit den nötigen Informationen erst Sigismund von Herberstein im Jahre 1549. In den Jahrzehnten davor waren viele kaiserliche Gesandte nach Moskau gekommen. Der erste wichtige Botschafter des Kaisers - Georg von Thurn - reiste dahin 1490, also 60 Jahre vor dem Erscheinen der Moscovia Herbersteins.4 Beschwerlich waren die Beziehungen mit Moskau auch wegen der großen Entfernung. Eine Reise von Mitteleuropa nach Moskau war langwierig und beschwerlich. In der Luftlinie ist Wien von Moskau über 1 600 km entfernt, auf heutigen Straßen etwas mehr als 1 900 km. Ein Botschafter musste auch kräftig und ausdauernd sein, 2 Groß, Lothar: Der Kampf zwischen Reichskanzlei und österreichischer Hofkanzlei um die Führung der auswärtigen Geschäfte, in: Historische Vierteljahrschrift 22 (1924/25), S. 279-312. 3 Rumpler, Helmut: Die rechtlich-organisatorischen und sozialen Rahmenbedingungen für die Außenpolitik der Habsburgermonarchie 1848-1918, in: Die Habsburgermonarchie im System der internationalen Beziehungen, Wien 1989. S. 1-121. (= Die Habsburgermonarchie 1848-1918 6/1.). 4 Kämpfer, Frank: Herbersteins nicht eingestandene Abhängigkeit von Johann Fabri aus Leutkirch, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 44 (1996), S. 1-25; Lei tsch, Walter: Berichte über den Moskauer Staat in italienischer Sprache aus dem 16. Jahrhundert. Eine quellenkritische Studie mit besonderer Berücksichtigung der italienischen Übersetzung der Moscovia Herbersteins. Wien, Weimar, Köln 1993 (= Wiener Archiv für Geschichte des Slawentums und Osteuropas 15); Leitsch, Walter: Westeuropäische Reiseberichte über den Moskauer Staat, in: A. Mqczak,/H.-J. Teuteberg, (Hg.): Reiseberichte als Quellen europäischer Kulturgeschichte. Aufgaben und Möglichkeiten der historischen Reiseforschung. Wolfenbüttel 1982, S. 153-176 (= Wolfenbütteier Forschungen 21). 66