Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 50. (2003) - 200 Jahre Russisches Außenministerium
LEITSCH, Walter: Die ersten 300 Jahre in den Beziehungen zu Österreich
DIE ERSTEN 300 JAHRE IN DEN BEZIEHUNGEN RUSSLANDS ZU ÖSTERREICH Walter Leitsch Als die Kaiser Friedrich III. und Maximilian I. mit dem Großfürsten von Moskau Kontakte pflegten (erstmals 1489), betraten sie bzw. ihre Gesandten Neuland. Es gab gewisse Schwierigkeiten. Man wollte verhandeln, also miteinander reden. Doch in welcher Sprache? Der Kaiser hatte in seinen Ländern viele Untertanen, deren Muttersprache slavisch war, doch wurde über wichtige Sachen verhandelt, bediente man sich des Lateinischen. Es gab im Moskauer Staat erst von der Mitte des 17. Jahrhunderts an Schulen, in denen man das Lateinische unterrichtete; bis dahin war die Zahl der Personen, die diese lingua franca der Europäer beherrschten, sehr gering; anscheinend gab es zu manchen Zeiten keine einzige Person im staatlichen Verwaltungszentrum, die einen lateinischen Brief schreiben oder auch nur verstehen konnte. In den Beziehungen mit den Osmanen gab es im Prinzip die gleichen Probleme, doch da waren Levantiner stets bereit, als Vermittler und Dolmetscher zu dienen. Im Moskauer Staat gab es für die Beziehungen mit den Tataren und Türken vergleichbare Personengruppen, etwa getaufte Tataren, doch in den Beziehungen mit dem lateinischen Kulturkreis fehlten vorerst Mittler dieser Art. Nikolaus Poppel, der erste Gesandte des Kaisers, der in Moskau Verhandlungen führte, stammte aus Schlesien, sprach also wohl Polnisch. Auch später verwendete man oft als Gesandte Adelige, die aus slavischen Gebieten kamen und sich daher zumindest notdürftig verständigen und im Bedarfsfall grobe Fehler der Dolmetscher korrigieren konnten. Gewisse Sprachschwierigkeiten blieben bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts erhalten.' Zur Bewältigung auch solcher praktischer Probleme schuf man in der Mitte des 16. Jahrhunderts den posol'skij prikaz, eine Behörde, die mit der Pfle1 Leider gelang es mir nicht, in meinen Notizen das genaue Zitat zu finden, doch habe ich deutlich in Erinnerung, dass Karl VI., als er einen Italiener für den Posten eines Gesandten in Sankt Petersburg vorsah, von seinen Beratern nahe gelegt wurde, doch lieber einen Mann zu ernennen, der die deutsche Sprache beherrscht, denn diese sei die zweite Sprache am russischen Hof. Es ging wohl um die Ernennung von Gerolamo Conte Caimo oder Pietro Francesco de Silva (1725). Später war es wohl das Französische, das diese Rolle spielte. Zu 1725 siehe: Florovskij, A. V.: Iz materialov po istorii Rossii Lpochi Petra I v cesskich archivach, in: Archeograficeskij ezegodnik za 1967 god, Moskva 1969, S. 236-241, hier S. 241; Nekrasov, G. A.: Rol' Rossii v evropejskoj mezdunarodnoj politike 1725-1739 gg. Moskva 1976, S. 98; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder seit dem Westfälischen Frieden (1648). II. Band. Zürich (1950), S. 86; Leitsch, Walter: Der Wandel der österreichischen Rußlandpolitik in den Jahren 1724-1726, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 6 (1958), S. 33-91, hier S. 77. - Die Ausführungen über die Beziehungen bis zum Ende des 16. Jahrhunderts sind entnommen: Uebersberger, Hans: Österreich und Russland seit dem Ende des 15. Jahrhunderts, Wien und Leipzig 1906. Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 50/2003 65