Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 50. (2003) - 200 Jahre Russisches Außenministerium

SCHWARCZ, Iskra: Die diplomatischen Beziehungen Österreich-Russland in der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts

Zum ersten Mal in der Geschichte der diplomatischen Beziehungen Österreich- Russland reisten weibliche Familienmitglieder nach Moskau mit. Es ist offensicht­lich, dass das „große unbekannte Land“ im Osten kein Feindbild mehr war. Russland hatte bis zum Anfang des XVIII. Jh. keine Diplomaten, die für längere Zeit als Residenten in einem anderen Land blieben. Eine Ausnahme waren die Ver­treter in Schweden (seit 1634) und in Polen (seit 1673). Mit der zunehmenden Ein­gliederung Russlands in das europäische System wurde ein Teil der diplomatischen Prinzipien der westeuropäischen Länder übernommen und so wurde 1699 eine dip­lomatische Vertretung in Holland, 1700 in Dänemark, 1701 in Wien und in Istan­bul, 1702 in Frankreich und 1706 in England gegründet. Der erste russische Vertre­ter in Wien war Fürst P. A. Golicyn. Schon im März 1699 wurde der Abgesandte V. I. Everlakov als Resident in Wien ernannt, nur drei Monate später wurde der Erlass aufgehoben und am 4. Jänner 1701 wurde Fürst Golicyn auf Anordnung des Zaren nach Wien geschickt.45 Und in Moskau war der erste ständige Vertreter des Kaisers Otto Anton Pleyer.46 Er kam im Jahre 1691 als Stiefsohn des Gesandten Johann Ignaz Kurz nach Russ­land und war ab 1692 als inoffizieller Vertreter Österreichs in Russland präsent. Obwohl er nach außen hin keine offizielle Mission hatte und auch nicht als Diplo­mat am Hofe des Zaren akkreditiert war, leistete er doch in Wirklichkeit die Dienste eines ständigen Gesandten, begleitete die Armee Peters nach Azov und seine tage­buchartigen Berichte über den Verlauf der Kämpfe und andere wichtige Ereignisse sind von großer Bedeutung. Nachdem Pleyer im Oktober 1702 zum kaiserlich­österreichischen diplomatischen Sekretär am russischen Hof ernannt worden war, wurde er endlich 1710 kaiserlicher Resident in Moskau.47 So wurden die ersten institutioneilen Schritte geschafft und es begann ein neues Kapitel in den diplomatischen Beziehungen der beiden Staaten. Zusammenfassend lassen sich folgende Grundsätze definieren: 1. Die Initiative, die Beziehungen in den 50-er Jahren wieder aufzunehmen, kam von der russischen Seite. Moskau bemühte sich, aus jener außenpolitischen Isolie­rung herauszukommen und die kaiserliche Vermittlungspolitik musste eine wichtige Rolle dabei spielen. Der Beginn der russisch-österreichischen Beziehungen 45 S. A. Belokurov:0 Posol’skom prikaze, S. 66. 46 Hasselblat, A.: Otto Anton Pleyer, der erste förmlich accreditirte österreichische Diplomat am russischen Hofe. 1692-1719. In: Russische Revue. Monatsschrift für die Kunde Russlands. Bd. VII (1875), S. 281-316,416-435. 47 P i 1 s s, Franz: Die Beziehungen des kaiserlichen Hofes unter Karl VI. zu Russland bis zum Nystäd­ter Frieden (1711-1721), Diss. Wien 1949, S. 4, Fußnote 2. 39

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