Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 50. (2003) - 200 Jahre Russisches Außenministerium
SCHWARCZ, Iskra: Die diplomatischen Beziehungen Österreich-Russland in der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts
waren, die bei den eventuellen Verhandlungen behilflich sein mussten. Der Tolmac war im Diplomatischen Amt Posol’skij prikaz für die mündliche Erklärungen in der Unterhaltung mit den Ausländern zuständig und der Dolmetscher für die schriftlichen Übersetzungen.28 So kam der Bote Grigorij Bogdanov begleitet von dem Dolmetscher Dietrich Angelaer im Frühjahr 1656 nach Wien, und wie die russische Handschriftenzeitungen „Vesti-Kuranty“ berichten, wurde die Mission mit großen Ehren von Kaiser Ferdinand III. in der Residenz Kaiserebersdorf empfangen.29 Die Liste der diplomatischen Missionen, die als Beilage folgt, zeigt uns die Dynamik der Beziehungen. Das Verhältnis der beiden Länder Russland und Österreich wurde von verschiedenen Faktoren bestimmt. Die Initiative, die Beziehungen in den 50-er Jahren wieder aufzunehmen, kam von der russischen Seite. Moskau bemühte sich, aus der außenpolitischen Isolierung herauszukommen und die Moskauer Politiker befolgten das Prinzip, mit den Nachbarn des feindlichen Nachbarn ein Bündnis zu suchen.30 Das erklärt, warum die russischen diplomatischen Demarchen zahlreicher waren als die österreichischen. Am Anfang war es nicht so wichtig einen Bündnisvertrag zwischen den beiden Ländern zu erreichen, sondern die Macht, die das Heilige Römische Reich Deutscher Nation präsentierte, als Mittel einzusetzen um auf ein Drittland wie Polen oder Schweden Druck auszuüben. Die kaiserliche Politik war konsequenterweise eine Vermittlungspolitik, die bis zum Frieden von Andrussovo 1667 stets bemüht war, für die russisch-polnischen Probleme eine Lösung zu finden, natürlich aus ihrer eigenen Sicht. Wie diese Politik funktionierte sehen wir bei den Verhandlungen mit der Gesandtschaft von Peter Marselis im Jahr 1665. Peter Marselis war ein bekannter, aus Dänemark stammender Unternehmer und Diplomat. Er bekam im Februar 1665 den Auftrag des Zaren Aleksej Mihajlovic, incognito als russischer Gesandter nach Königsberg, Wien und Kopenhagen zu reisen. Als Begleiter wurde der Dolmetscher des Posol’skij Prikaz Dietrich Angelaer, der Wien schon von der Reise mit dem Boten Grigorij Bogdanov im Jahre 1656 kannte. Am 25. Mai 1665 erreichte die Gesandtschaft Wien und wurde am 29. Mai in Schloss Laxenburg vom Kaiser Leopold I. empfangen.31 Die Verhandlungen mit den Ministern des Kaisers, dem Reichsvizekanzler Wilderich von Walderdorf und dem Geheimratssekretär Johann von Walderode, hatten das Ergebnis, dass der Kaiser sich zur Übernahme der Vermittlung bereiterklärte, sobald König und Republik von Polen zugestimmt hätten, und dass er diese Zustimmung durch seinen Gesandten Augustin von Meyerberg in Warschau zu erlangen hoffte.32 Der Beginn der russisch-österreichischen Beziehungen 28 Belokurov, S. A.:0 Posol’skom prikaze. In: CIOIDR, kn. 3 (1906), S. 53 f. 29 Vesti-Kuranty 1651-1652 gg., 1654-56 gg., 1658-1660 gg. Moskva 1996, S. 103. 30 S t ö k 1: Russland und Europa, S. 309 f. 31 Amburger, Erik: Die Familie Marselis. Studien zur russischen Wirtschaftsgeschichte. In: Gies- sener Abhandlungen zur Agrar- und Wirtschaftsforschung des europäischen Ostens. Bd. 4 (Gießen 1957), S. 136 f. 32 Amburger: Die Familie Marselis, S. 138. 35