Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 50. (2003) - 200 Jahre Russisches Außenministerium
SCHWARCZ, Iskra: Die diplomatischen Beziehungen Österreich-Russland in der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts
Der Beginn der russisch-österreichischen Beziehungen Die im Oktober in Moskau angekommenen kaiserlichen Gesandten waren vor neue Herausforderungen gestellt. Nach langen Verhandlungen mit den russischen Vertretern einigten sie sich mit ihnen auf die Entsendung im Sommer 1656 besonderer Bevollmächtigter nach Wilna zwecks Friedensverhandlungen mit den Polen. Die Gesandten Allegretto Allegretti und Theodor Lorbach bekamen aus Wien neue Instruktionen und die Vollmacht, als Mediatoren in Wilna zu wirken und die kaiserlichen Interessen zu vertreten. Es änderte sich auch die Situation am Kriegsschauplatz in Weißrussland. Seit Anfang des Jahres waren die Kriegsauseinandersetzungen fast abgebrochen. Eine Ausnahme war die Blockade der Stadt Starij Byhov.22 Langsam änderte sich der außenpolitischen Kurs Russlands und am 17. Mai 1656 erklärte Zar Aleksej Mihajlovic den Schweden den Krieg, ohne den Krieg mit dem Polen zu beenden. Die russische Truppen marschierten in Richtung Dinaburg. Die Wilnaer Verhandlungen zwischen Polen und Russland begannen in Spätsommer 1656 und führten zu keinen greifbaren Ergebnissen, da die Interessen der beiden Parteien zu entgegengesetzt waren. Die endgültige Ausarbeitung und Festsetzung der Staatsgrenze wurde vorläufig verschoben. Die Kontroversen steigerten sich noch, nachdem die russischen Gesandten unerwartet vorschlugen, den Zaren Alexej Michajlovic zum Nachfolger Johann Kasimirs auf dem polnischen Thron zu wählen. Die kaiserlichen Bevollmächtigten versuchten vergeblich, diesen unangenehmen und gefährlichen Vorschlag zu blockieren. Die polnischen Gesandten hatten sich verpflichtet, auf dem bevorstehenden Sejm die Frage zur Diskussion zu stellen, was nicht den kaiserlichen Interessen entsprach. Die Verhandlungen brachten nur einen kurzfristigen Waffenstillstand. Der Vertrag wurde am 25. Oktober/3. November geschlossen und bald danach im Jahre 1658 wieder gebrochen. Doch es ist wichtig zu erwähnen, dass der durch die kaiserlichen Vermittlungspolitik erreichte Waffenstillstand eine Entlastung für die Polen brachte. Diese Gesandtschaft war die erste kaiserliche diplomatische Gesandtschaft in einer ganzen Reihe von Missionen, die in der Mitte der 80-er Jahren zur Einbeziehung Russlands in die antiosmanische Heilige Liga (1686-1699) führten und zur Jahrhundertwende die Schaffung einer ständigen Vertretung in Russland ermöglichten. Bereits im Jahr 1658 versuchte Kaiser Leopold I. die Vermittlungspolitik seines Vorgängers Ferdinand III. mit der Mission von Johann Christoph von Fragstein fortzusetzen, allerdings ohne Erfolg. Spielte da die Tatsache eine Rolle, dass Fragstein kaiserlicher Resident in Polen war und den Russen nicht vertrauenswürdig erschien?23 Vielleicht. Nur noch wichtiger zu erwähnen war die Tatsache, dass die kaiserlichen Truppen nach dem polnisch-österreichische Allianzvertrag von 27. Mai 22 Mal’cev, Aleksandr: Rossija i Belorussija v seredine XVII veka. Moskva 1974, S. 107. 23 Siehe den Brief Allegretto Allegrettis an dem Bojar Nikita Ivanovic Odoevskij in: PDS, Bd. Ill, Stlb. 814 f. 33