Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 50. (2003) - 200 Jahre Russisches Außenministerium
SCHWARCZ, Iskra: Die diplomatischen Beziehungen Österreich-Russland in der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts
Iskra Schwarcz Schwedens angeführt, das gemeinsam mit Frankreich Garantiemacht des Friedens war.7 So wurde der Moskauer Staat mit dem Vertrag völkerrechtlich in die Respublica Christiana inkorporiert und in innereuropäische Verhältnisse stärker involviert.8 Das bedeutete noch nicht, dass Moskau den „Weg nach Europa“ bereits gefunden hatte.9 10 Für den Moskauer Staat wichtig war die Revision der Friedensverträge von Stolbovo (1617) mit Schweden und von Deulino (1618) mit Polen und diese Absichten hatten Priorität in der Außen- und Sicherheitspolitik des Staates, die im Laufe des Dreißigjährigen Krieges um europäische Dimensionen erweitert worden waren.'" Um die verlorenen Positionen wieder zu gewinnen versuchte das Moskauer Reich, die Schwächen der beiden Länder konsequent zu nutzen und sogar, wenn die Gelegenheit das erlaubte, die beiden Wasa-Staaten Polen und Schweden gegeneinander auszuspielen.11 Eine neue Macht spielte in den politischen Verhältnissen Osteuropas eine sehr wichtige Rolle - das Kosakentum. Der Chmel’nickij - Aufstand (1648-1654) gegen die polnische Herrschaft, der darauf folgende Eid der Zaporozer Kosaken auf den Zaren und der Vertrag mit dem Moskauer Reich von PerejaslavF erhöhten das Prestige des Moskauer Staates. Als Reaktion auf Chmel’nickijs Bündnis mit dem Zaren vereinigten nun Polen und Tataren ihre Streitkräfte. Im Frühjahr 1654 brach eine Moskauer Armee unter dem Kommando des Zaren und mit der Unterstützung von 20 000 Kosaken in Weißrussland ein. Im September 1654 folgte die Einnahme von Smolensk und Polock und die Erfolge der russischen Truppen fanden Ausdruck in den Titulaturänderungen des Zaren. Gleichzeitig wurden eine Reihe von Gesandtschaften organisiert, die nach Schweden, Dänemark, Holland, Frankreich, Siebenbürgen, Moldau, Walachei reisten, um die Neutralität dieser Länder im Konflikt mit den Polen und die Anerkennung der Titulaturänderungen zu erreichen. Im Sommer 1654 reiste die Gesandtschaft von Ivan Baklanovskij und Ivan Mi- chailov, 37 Jahre nach der letzten diplomatischen Missionen von Hans Helmes'2 und Luk’jan Mjasnoj, nach Wien zu Kaiser Ferdinand III., um über den bereits 9 Jahre zurückliegenden Tod des Zaren Michail Fedorovic zu berichten und dem Kaiser „die Gründe“ für den Angriff auf Polen zu erklären. Es ist interessant zu erwähnen, dass die Kosakenfrage in den Verhandlungen nicht berührt wurde, obwohl die Gesandten kaum annehmen konnten, dass dem Kaiser die politische Situation in der Ukraine nicht bekannt war.13 7 Instrumenta Pacis Westphalicae. Die Westfälischen Friedensverträge 1648. Bem 1949, S. 77. 8 B a r u d i o, Günter: Moskau und der Dreissigjährige Krieg, ln: Klaus Zemack (Hg.), Handbuch der Geschichte Russlands. Bd. II (1613-1856). Vom Randstaat zur Hegemonialmacht. Stuttgart 1986, S. 95 f. 9 Stökl, Günther: Russland und Europa vor Peter dem Grossen. In: Günther Stökl, Der Russische Staat in Mittelalter und früher Neuzeit. Wiesbaden 1981, S. 294-296. 10 B a ru di o: Moskau, S. 96. " Ebenda. 12 In den russischen Quellen Ivan Fomin genannt. 13 HHStA, Wien, Russica 1654, A, fol. 21-32. 30