Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 50. (2003) - 200 Jahre Russisches Außenministerium

RATHKOLB, Oliver: Wiederbeginn der diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich und der Sowjetunion 1956–1947 zwischen Kaltem Krieg und österreichischer Innenpolitik

Oliver Rathkolb gehen werde, während die drei anderen österreichischen Missionschefs alle aus dem vor 1938 tätigen diplomatischen Stammpersonal stammten.3 Wichtig in diesem Zusammenhang wäre auch festzuhalten, dass sich alle mit dieser Entscheidung auf österreichischer Seite betrauten Stellen und Politiker darüber Gedanken machten, welche Persönlichkeit am ehesten eine positive Rezeption seitens des jeweiligen Gastlandes hervorrufen könnten. So wurde ganz bewusst der Gesandte Ludwig Kleinwächter nach Washington geschickt, da er nicht nur USA-Erfahrung hatte, sondern auch als ehemaliger KZ-Häftling die amerikanischen Vorbehalte bezüglich einer zu laxen österreichischen Entnazifizierungs- und Restitutions- sowie Entschädigungspolitik ausräumen konnte.4 Norbert Bischoff, der nach Paris entsandt wurde, verfügte über beste Beziehungen zu Persönlichkeiten des französischen Widerstandes - er war auch von dem deutschen Auswärtigen Amt nicht übernommen worden - und über Kontakte zu hochrangigen französischen Politikern. Heinrich Schmid, der nach London ging, galt ebenfalls als für diesen spezifischen Raum als bestens geeignet. Waldbrunner flog nicht sofort nach Moskau, was vor allem damit zusammenhing, dass in den extrem schwierigen Nachkriegszeiten die materiellen Bedingungen noch nicht vollends geklärt waren. Waldbrunner konnte zum Unterschied zu Bischoff in Paris nicht in das Gesandtschaftsgebäude vor 1938, sondern wurde in einem für Ausländerinnen bestimmtes Hotel in Moskau untergebracht, wo er auch Frühstück und eine Hauptmahlzeit erhielt. In den ersten Vorgesprächen zur konkreten Reise in die Sowjetunion, die bereits Mitte Februar 1946 begannen und erst im April 1946 mit der Ankunft Waldbrunners in Moskau endeten, wurden auch diese schwierigen Rahmenbedingungen seitens des Gesandten Jewgenij D. Kiselew angesprochen.5 Zu diesen technischen Problemen gehörte das Gesandtschaftsgebäude, das als ehemalige Wehrmachtsdienststelle besetzt war und erst geräumt sowie renoviert werden musste. Daher wurde die Unterbringung im Hotel National seitens des sowjetischen Außenministeriums ins Auge gefasst. Bezüglich der Frage der Geldmittel in Rubel schlug Kiselew vor, einen Kreditantrag seitens der österreichischen Bundesregierung an die sowjetische Regierung in der Höhe von 400 000 Rubel zu stellen, der dann in Form von Kompensationsgeschäften 3 Festschrift für Karl Waldbrunner zum 65. Geburtstag, hrsg. von der Sozialistischen Partei Österreichs, vom Klub der Sozialistischen Abgeordneten und Bundesräte, von der Sozialistischen Fraktion des Österreichischen Gewerkschaftsbundes und vom Bund Sozialistischer Akademiker, Intellektueller und Künstler, Wien 1997, S. 44. 4 Siehe dazu Rathkolb, OlivenThe Austrian Foreign Service and the Anschluß in 1938, in: Ger­man Studies Review, Vol. XIII (February 1990), S. 69. 5 Österreichisches Staatsarchiv, Nachlass Norbert Bischoff, Aufzeichnung, Gespräch 15. Februar 1946 (der Nachlass wurde bereits 1981 benützt, als er sich noch im Besitz der Witwe Bischoff befand, so dass derzeit keine andere Zitierung möglich ist. Aufgrund der Datumsangaben müsste auch in der Neuordnung im Österreichischen Staatsarchiv das Dokument leicht zu eruieren sein). 158

Next

/
Thumbnails
Contents