Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 48. (2000)

PASETZKY, Gilda: Zwei Wiener Jakobiner und ihre Reise nach Frankreich

Gilda Pasetzky in dieser Form erst möglich; nur so konnte man die Todesurteile und Gefängnis­strafen rechtfertigen - eine Rechtfertigung, die auch noch in der modernen Ge­schichtsschreibung vorherrscht. Denn obwohl Wangermann schon 1959 die Verbindung Soltyks zu den Jakobi­nern nachgewiesen hatte, wurde dessen wichtige Rolle entweder falsch und unge­nügend interpretiert oder vernachlässigt, beziehungsweise unterdrückt.“ So folgt man bis heute Sauraus Argumenten, und die Wiener Jakobiner werden auf der Bühne des historiographischen Theaters immer wieder von neuem verurteilt und gerichtet - man kann die Effizienz der Strategie Sauraus und Pergens nur bewun­dern. Dazu abschließend noch der Versuch einer Erklärung: Heids und Denkmanns Mission nach Paris war einer der wichtigsten Gründe der Verhaftung der Wiener Jakobiner. Ihre Zustimmung zu dieser Reise oder das simple Wissen davon war einer der Hauptanklagepunkte gegen sie. Um den Konflikt, der bis heute in der Historiographie in Bezug auf die Jakobinerprozesse herrscht, erklären zu können, scheint es notwendig, hier kurz an drei Punkte zu erinnern: Das „Verräter machen“ durch einen Agent provocateur. Gegen diese Vorgangs­weise protestierten schon Zeitgenossen64 und Zweifel über die Glaubwürdigkeit des Resultates einer solch fragwürdigen Methode finden sich auch in der modemen Geschichtsschreibung.65 Der Prozess: Es ist bekannt, dass die Polizei versuchte, ihre Kompetenzen zu überschreiten, damit aber scheiterte.66 Nichtsdestoweniger bleibt die Art, wie die Anklagen geschahen, zweifelhaft - siehe die Ungleichheit der Behandlung zwi­schen Soltyk und Hebenstreit. Die Urteile: Die Frage, ob die Verurteilungen gerechtfertigt waren oder nicht (wobei unterschieden werden muss, ob von damaliger oder jetziger Sichtweise aus), ist bis heute ein Streitpunkt geblieben.67 Gerade wegen der Strittigkeit des Phänomens sagen die sich wiederholenden Urteilssprüche über die Jakobiner be­vorzugt etwas über die jeweiligen politischen und geschichtswissenschaftlichen Zeitströmungen aus, innerhalb derer sie gefallt wurden. 65 Bei Silagi (siehe Anm. 2), S. 177 hat Soltyk eine rein passive Rolle (siehe auch Anm. 17). Körner folgt dieser Interpretation (Franz Hebenstreit, ln: Jakobiner in Mitteleuropa, hrsg. von Helmut Reinalter. Innsbruck 1977, S. 345-363, hier S. 348) oder stellt überhaupt keinen Zusammenhang zwischen Soltyk und der Reise Heids und Denkmanns nach Paris her (ebenda, Andreas Riedel, S. 321-344, hier S. 329). Das Gleiche gilt für Bemard (siehe Anm. 17) der die Behauptungen seines Protagonisten Pergen übernimmt. Auch Schuh (siehe Anm. 17) teilt Soltyk nur eine Nebenrolle zu. 64 Graf von Zinzendorf in: W an german n : Joseph (siehe Anm. 2) S. 171. 65 z.B.:Schuh: Jakobiner (siehe Anm. 17), S. 107. 66 Wangermann : Joseph (siehe Anm. 2), S. 157-169. 67 z. B : S c h uh : Jakobiner (siehe Anm. 17), S. 125-126, Silagi, (siehe Anm. 2), S. 191-193. 362

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