Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 48. (2000)

LILLA, Joachim: Die Vertretung Österreichs im Großdeutschen Reichstag

Joachim Lilia auf, Hönisch das Mandat zu entziehen und nannte als Mandatsnachfolger den von Gauleiter Jury vorgeschlagenen Kreisleiter Brauner („Der Führer [...] hat entschie­den, dass Brauner Nachfolger des Pg. Hönisch wird“). Hönisch legte sein Mandat Anfang März 1943 nieder108 109. V. Innenansichten eines österreichischen MdR Angesichts der Schreibfreudigkeit eines österreichischen Reichstagsabgeordne­ten, es handelt sich um Edmund Glaise von Horstenau110, liegen uns unterschiedlich lange und gehaltvolle Stimmungsberichte über immerhin fünf Reichstagssitzungen (von insgesamt acht mit österreichischen Abgeordneten) zwischen 1938 und 1942 vor, weiters nahm Glaise von Horstenau - noch nicht in den Reichstag gewählt - an der Reichstagssitzung am 18. März 1938 „noch auf der Regierungsbank an der Seite des Führers“111 112 als Mitglied der österreichischen Landesregierung (und Stell­vertreter des Reichsstatthalters in Österreich) teil. Obgleich diese Sitzungen von den Reden Hitlers dominiert wurden, auf die Glaise im Übrigen kaum eingeht, vermitteln die - teils ironisch-süffisanten, teils boshaften, teils aber auch rechtferti­genden - Aufzeichnungen Glaises einige bemerkenswerte Innenansichten und et­was von der Atmosphäre dieser eigentümlichen Körperschaft namens „Großdeutscher Reichstag“. Die Person Glaises - hinsichtlich der biographischen Einzelheiten sei auf die einschlägigen Dokumentationen verwiesen - lässt sich schwer mit wenigen Attributen charakterisieren. Die Begründung hierfür liefert Peter Broucek als intimer Kenner von Leben und Werk Glaises: Dies ist angesichts seiner vielfältigen Arbeitsgebiete als Generalstabsoffizier und Hi­storiker, Politiker und Militärdiplomat ebensowenig verwunderlich wie im Hinblick auf sein Schwanken zwischen dem Dienst am österreichischen Staat und dem Bekenntnis zur deutschen Nation als der von ihm erwünschten politischen Einheit. Hinneigung zum monarchischen System und Katholizismus sowie weitgehende Einfügung in den Natio­nalsozialismus lassen sein Bild noch mehr schwanken1'2. Über die Reichstagssitzungen im Einzelnen berichtet Glaise von Horstenau wie folgt: Einige Tage nach dem Anschluß mußte das Kabinett Seyß nach Berlin fahren, um dort der Reichstagssitzung [am 18. März 1938] beizuwohnen. Wir wurden auf dem Flugplatz von irgendwem empfangen. [...] Von dem Empfang existiert ein Bild. Auch die Reichstagssitzung ist mehrfach im Bild festgehalten. Wir österreichischen Minister 108 Eröffnungsbeschluss des Parteigerichts der NSDAP, Arbeitsbereich Generalgouvernement, 12.08.1942, fol. 255. 109 Ebenda, fol. 259. Aus einem weiteren Vorgang (ebenda fol. 257) ergibt sich, dass Hönisch am 29.03.1943 durch einstweilige Verfügung aus der NSDAP ausgeschlossen worden ist. 110 Die Aufzeichnungen, Erinnerungen und Tagebücher Glaises liegen in einer vorzüglichen Edition vor: Broucek, Peter (Bearb ): Ein General im Zwielicht. Die Erinnerungen Edmund Glaises von Horstenau. Bände 1-3. Wien/Köln/Graz 1980, 1983, 1988 (Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 67, 70, 76). 1,1 Broucek: Bd. 2, S. 273. 112 Broucek: Bd. 1, S. 7. 254

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