Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 48. (2000)

LILLA, Joachim: Die Vertretung Österreichs im Großdeutschen Reichstag

DIE VERTRETUNG ÖSTERREICHS IM GROSSDEUTSCHEN REICHSTAG von Joachim Lilla Der folgende Beitrag befasst sich mit einem in der bisherigen, fast schon unüber­schaubar gewordenen Literatur zum Thema Österreich 1938 bis 1945 kaum be­rücksichtigten Thema: mit der „Vertretung“ Österreich in der einzigen so genann­ten parlamentarischen Körperschaft des Dritten Reiches, dem Deutschen bzw. Großdeutschen Reichstag. Die Bedeutung der Zusammensetzung dieser „Pseudo- Volksvertretung“1 soll keinesfalls überbewertet werden, die Liste der österreichi­schen „Kandidaten“ lässt jedoch auch Rückschlüsse auf Qualität und Quantität der personellen Ressourcen der NSDAP in Österreich zu. Zur Terminologie „Großdeutscher Reichstag“: In diversen Gesetzen und Druck­sachen findet sich die Bezeichnung „Großdeutscher Reichstag“ recht selbstver­ständlich schon im März 1938, auch als Titel des von Kienast herausgegeben Reichstagshandbuches 1938, ferner in den Überschriften der zwischen 1939 und 1941 erlassenen Gesetze über die parlamentarische Vertretung diverser annektierter Gebiete. Anlässlich der Anfang 1943 anstehenden Verlängerung der Wahlperiode des Reichstags wurde wohl — vor dem Hintergrund der juristisch recht genauen Beachtung bestimmter Formalien der „verfassungsrechtlichen Grundlagen des nationalsozialistischen Staates, namentlich der Verlängerung des Ermächtigungs­gesetzes und der Reichstagswahlperioden - in der Reichskanzlei die Frage erörtert, ob die Bezeichnung „Großdeutscher Reichstag“ eigentlich verfassungsrechtlich zulässig wäre. Die Frage wurde dadurch entschieden, dass „der Führer [...] mit der Bezeichnung ,Großdeutscher Reichstag’ einverstanden“ war2. ' Hubert, Peter: Der uniformierte Reichstag. Die Geschichte der Pseudo-Volksvertretung 1933- 1945. Düsseldorf 1992 (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Partei­en 97). 2 Bundesarchiv Berlin [in Hinkunft: BA] R 43 11/288, fol. 66' und 66v; vgl. auch M o r s e y, Rudolf: Das „Ermächtigungsgesetz“ vom 24. März 1933. Quellen zur Geschichte und Interpretation des „Gesetzes zur Behebung der Not von Volk und Reich. Düsseldorf 1992 (Dokumente und Texte 1), v. a. S. 120-123. Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 48/2000 229

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