Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 48. (2000)
GRÖBL, Lydia – HÖDL, Sabine – STAUDINGER, Barbara: Steuern, Privilegien und Konflikte. Rechtsstellung und Handlungsspielräume der Wiener Juden von 1620 bis 1640. Quellen zur jüdischen Geschichte aus den Beständen des Österreichischen Staatsarchivs
Steuern, Privilegien und Konflikte Der Hofzahlmeister Joseph Niesser von Steinstraß'89 hatte einige Pfänder, darunter vier Truhen Seide und ein Halsband, bei dem Hofjuden Leb Brod gegen einen Kredit von 7.100 fl. versetzt.1'" Als jener zum vereinbarten Termin seine Schulden noch nicht zurückbezahlt hatte, klagte ihn Brod beim Obersthofmarschall Freiherr Bernhard von Herberstein19'. Dieser gab der Anklage statt und verurteilte den Hofzahlmeister zur Zahlung der dem Juden entstandenen „Schäden“ und „Unkosten“, die auf Grund der „Münzsteigerung“189 * 191 192 wie auch durch Rückzahlungsverpflichtun189 Die Amtsdaten von Joseph Niesser von Steinstraß auf ldolzberg sind in der Forschungsliteratur nicht genannt. Auf Grundlage der Hofzahlamtsbücher konnte eine Amtszeit von 1.6.1613 bis 31.12.1623 ermittelt werden. Siehe HKA, HZB, Bd. 63-72; ebenda, Bd. 74 (1624-1625), ist die Abrechnung des Hofzahlmeisters. HHStA, RHR, APA, Kart. 125, unfol., Wien, 16. Juni 1620, Joseph Niesser ct. Leb Brod puncto revisionis actorum (1629), Schuldobligation Niessers. 191 Herberstein fehlt bei Fellner, Thomas - Kretschmayer, Heinrich; Die Österreichische Zentralverwaltung. 1. Abteilung: Von Maximilian 1. bis zur Vereinigung der Österreichischen und Böhmischen Hofkanzlei (1749). 1. Band: Geschichtliche Übersicht. Wien 1907 (Veröffentlichungen der Kommission für neuere Geschichte Österreichs 5), Liste der Obersthof- marschälle, S. 278 f., hier S. 278; ebenso bei Strobl, Eduard: Das Obersthofmarschallamt. Innsbruck 1908 (Forschungen zur inneren Geschichte Österreichs 4), Liste der Hofmarschälle und Obersthofmarschälle 1501-1907, S. 173-175, Nr. XV, hier S. 174. ln beiden Werken wird die Amtszeit von Wolf Sigmund von Losenstein mit 1612-1626 angegeben, was daher unrichtig ist. Bei Wurzbach, Constantin von: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. TI. 8. Wien 1862, S. 329 f. ist Herberstein zwar als Obersthofmarschall erwähnt, seine Amtsdaten fehlen jedoch, sein Todesjahr ist mit 1624 angegeben. Losenstein hatte das Amt des Obersthofmarschalls zwar seit 1612 inne, 1616 ist allerdings der Obersthofmeister Friedrich Graf von Fürstenberg auch in der Funktion des Obersthofmarschalls erwähnt (Nachweise in: HHStA, RHR, Antiqua, Kart. 649, unfol., Simon Brandeis und Joseph Teplitzky, Prager Juden, ct. Reichspfennigmeister Stefan Schmidt [1616]). Herbersteins Nachfolger war wieder Wolf Sigmund von Losenstein - vielleicht ein Nachkomme? -, der wahrscheinlich 1622 das Amt des Obersthofmarschalls übernahm. Vgl. HHStA, RHR, APA, Kart. 125, unfol., Wien, 1. September 1622, Joseph Niesser ct. Leb Brod puncto revisionis actorum (1629), Anweisung an den Obersthofmarschall Losenstein, die Revisionsakten zu überschicken. 192 Mit dem Begriff „Münzsteigerung" ist wohl eine Folge der Münzverschlechterung in der sog. „Kipperzeit" durch Ummünzungen von Gulden und kleineren Währungseinheiten zu Münzen mit geringerem Edelmetallgehalt gemeint, durch die Ferdinand II. die ungeheuren Kriegskosten zu bestreiten versuchte. So war der Reichstaler gemessen am Silbergehalt (also am realen Marktwert) 1620-1622 von 180 Kreuzer auf 1000 Kreuzer gestiegen. Die Folge des Ummünzens war also eine Inflation zum einen und die Steigerung des Werts der alten Goldgulden zum anderen, auch wenn nominell der Rechenkurs gleich blieb. 1623 wurden die „Kippermünzen“ abgewertet. Zu den „Kippern und Wippern" vgl. Probszt: Geldgeschichte (wie Anm. 170), S. 425-440. Dort auch weiterführende Literatur. Vgl. ebenfalls Sandgruber: Ökonomie (wie Anm. 35), S. I37f.;Jungwirth, Helmuth: Die Münzstätte Wien und das neuzeitliche Geldwesen in Österreich. ln: Geld (wie Anm. 31), S. 97-142. Newald: Münze, bes. S. 122, (wie Anm. 1). Vgl. auch HKA, N.Ö. Münz- und Bergwesen, r. Nr. 15. fol 565ar-572v, Wien, Februar 1623, Gutachten der Hofkammer zur Münzsteigerung. 189