Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 48. (2000)
GRÖBL, Lydia – HÖDL, Sabine – STAUDINGER, Barbara: Steuern, Privilegien und Konflikte. Rechtsstellung und Handlungsspielräume der Wiener Juden von 1620 bis 1640. Quellen zur jüdischen Geschichte aus den Beständen des Österreichischen Staatsarchivs
Lydia Gröbl - Sabine Hödl - Barbara Staudinger Schirm wurde bestätigt; somit trat der Kaiser weiterhin als Schutzherr über die Juden auf und sie blieben ihm weiterhin direkt unterstellt. Klage gegen Juden sollte vor der zuständigen Instanz, der Stadt Wien, geführt werden.15" Im Mai 1639 gelang es den Juden Wiens, einen Teil ihrer früheren Rechte wieder zu erlangen. Offenbar hatten sie wiederholt beim Kaiser darum angesucht, ihnen die Handelsgewölbe in der Stadt wieder zu genehmigen, wohl mit dem Argument, dass sie durch eine Geschäftstätigkeit in der Stadt nicht nur ihren Lebensunterhalt verdienen, sondern auch die geforderten Kontributionen und Steuern viel eher bezahlen könnten. Nach Beratungen mit der Stadt Wien, hier vor allem der Bürgerschaft und den Kaufleuten, wurde der Entschluss gefasst, den Juden wieder 18 offene Gewölbe in der Stadt auf dem Kienmarkt zu geben. Weiters wurde der Regierung und der Stadt Wien aufgetragen, die Bewohner des Ghettos nicht in die Stadt einzulassen, wenn im Ghetto eine Seuche ausbreche. Darüber hinaus wurde eine Erfassung sämtlicher Juden in Auftrag gegeben, sowohl der ansässigen Familien, als auch der fremden, sich in Wien aufhaltenden Juden.150 151 Diese letzte Maßnahme ist als Versuch zu werten, wieder ein exaktes Bild über die vor und in der Stadt lebenden Juden zu erhalten. Allerdings liegen keine Dokumente vor, die die Ausführung dieses Auftrags bestätigen. Es kam jedoch im Juni 1640 zu einem Ausweisungserlass für die fremden, nicht mit einem Freibrief ausgestatteten Juden. Die ansässigen Wiener Juden sollten die Ausweisung innerhalb von 14 Tagen durchführen.152 * Die Wiederzulassung der Handelsgewölbe in der Stadt war nur der erste Schritt für die Wiedererlangung sämtlicher Rechte durch die Juden Wiens. 1641 wurden sie wieder der Jurisdiktion des Obersthofmarschalls unterstellt, allerdings sollte die Revision in Zukunft nicht mehr beim Reichshofrat, sondern bei der landesfürstlichen Geheimen Hofkanzlei liegen.151 Die vollständige Wiederherstellung ihrer frü150 Patent Ferdinands III., 5. November 1638, AVA, Salbuch Nr. 51, fol. 246y-248r. Druck bei Pribram: Urkunden (wie Anm. 2), Bd. 1, S. 128-130, Nr. 82. 151 Intimation im Auftrag des Kaisers an die niederösterreichische Regierung, 4. Mai 1639, in Pribram : Urkunden (wie Anm. 2), Bd. 1, S. 125-127, Nr. 80/11. Dieses Schriftstück sollte eigentlich im HKA, N. Ö. Herrschaftsakten, Fasz. W 61/C 43 vorhanden sein. Die von Pribram angegebene Faszikelsignatur W/29 wurde bei der Umordnung der niederösterreichischen Herrschaftsakten im HKA zum Faszikel W 61/C 43. Bis jetzt konnte das Original wie auch zwei weitere bei Pribram: Urkunden (wie Anm. 2), Bd. 1, S. 127, Anm. 3, genannte Aktenstücke nicht aufgefunden werden. 152 Anordnung an die Wiener Juden, 9. Juni 1640, in Pribram: Urkunden (wie Anm. 2), Bd. 1, S. 136, Nr. 85. 151 Hofdekret an die niederösterreichische Regierung, 5. Jänner 1641, AVA, Oberste Justiz, Karton Nr. 136, Hofkommission, Alte Miscellanea, Fasz. Lit. J., Nr. 1246; Hofresolution, 22. November 1641, ebenda, Nr. 1264; Intimation im Auftrag des Kaisers durch die niederösterreichische Regierung an den Magistrat von Wien, 27. November 1641, WStLA, Nr. 7/1641, Druck bei Pribram: Urkunden (wie Anm. 2), Bd. 1, S. 141 f., Nr. 88. 178