Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 48. (2000)
GRÖBL, Lydia – HÖDL, Sabine – STAUDINGER, Barbara: Steuern, Privilegien und Konflikte. Rechtsstellung und Handlungsspielräume der Wiener Juden von 1620 bis 1640. Quellen zur jüdischen Geschichte aus den Beständen des Österreichischen Staatsarchivs
Steuern, Privilegien und Konflikte heren Rechtsposition erfolgte am 1. Jänner 1645 durch ein Patent Ferdinands III., durch das jene Regelungen, die Ferdinand II. im Dezember 1624 und im November 1632 erlassen hatte, wieder in Kraft traten. Neben diesen Privilegien erhielt die jüdische Gemeinde auch die rechtlichen Mittel zugestanden, gegen Juden, die die Steuerquote nicht bezahlen wollten, mit Sperrung ihrer Handelstätigkeit und Einziehung der Güter vorzugehen.1'4 Privilegien als Grundlage der Rechtsstellung der Wiener Juden Durch die Anerkennung und Privilegierung der jüdischen Gemeinde in Wien durch Ferdinand II. wurde erstmals seit der Vertreibung im 15. Jahrhundert wieder eine allgemein gültige Rechtsbasis für die in Wien in einer Gemeinde organisiert lebenden Juden geschaffen. Obwohl Einzelprivilegierungen weiterhin für die Stellung in der christlichen wie jüdischen Gesellschaft ausschlaggebend blieben, ist die Tendenz zur Vereinheitlichung und Festschreibung jüdischer Rechte durch den Kaiser als Grundlage jüdischer Existenz in der Stadt zu werten. Die Umsiedlung der Juden in das Ghetto im Unteren Werd 1624/25 bildet eine Zäsur in der Geschichte der Wiener Juden. Räumlich wie sozial von der christlichen Gesellschaft abgegrenzt konnte das jüdische Gemeindeleben ausgebaut und etliche weitere Privilegien erworben werden. Die Anhebung des jüdischen Rechtsstatus ist mit der steigenden Bedeutung jüdischer Kreditgeber wie auch mit der Bereitschaft zu regelmäßigen Kontributionszahlungen seitens der Juden zu erklären. Damit flössen dem Kaiser dringend benötigte Gelder für Kriegs- und Hofausgaben zu. Hofjuden hatten in diesem Beziehungsgeflecht zwischen der jüdischen Gemeinde und dem Reichsoberhaupt eine Sonderstellung inne. Trotz einer kurzfristigen Beschneidung der Privilegien durch Ferdinand III. konnte sich die jüdische Gemeinde in Wien in den Jahren nach 1620 nicht nur etablieren, sondern sich ausdehnen und einen den Prager Juden ähnlichen gesonderten, privilegierten Rechtsstatus für sich beanspruchen, der nicht nur durch die steigende finanzielle und wirtschaftliche Bedeutung einzelner Wiener Hofjuden, sondern auch durch die räumliche Nähe zum Kaiser bedingt war. Die Rechtsstellung der Wiener Juden ist somit ein Spiegel der steigenden Bedeutung dieser Gemeinde innerhalb der jüdischen Gemeinden im Alten Reich. 154 154 Patent Ferdinands III., 12. Jänner 1645, AVA, Salbuch Nr. 58, fol. 100r-104v. Druck bei Pribram: Urkunden (wie Anm. 2), Bd. I, S. 145-151, Nr. 92. Interessant ist der Zusatz in diesem Privileg, dass Juden sich jeglicher Lästerung gegen den christlichen Glauben und die katholische Religion enthalten sollten. 179