Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 47. (1999)
MAZANEC, Markus – VENUS, Theodor – WIRTH, Maria: Digitale Archivierung von Kabinettsakten des Österreichischen Staatsarchivs. Ein Zwischenbericht über ein gemeinsames Pilotprojekt mit der „Stiftung Bruno Kreisky-Archiv“
Hundt geht dann auf die europäischen Rahmenbedingungen für eine auf dem Wiener Kongreß zu erneuernde europäische Gleichgewichtsordnung ein und schließt sich insbesondere den Thesen von Paul W. Schroeder, Enno E. Kraehe und Anselm Doering-Manteuffel an. Innerhalb der theoretischen Möglichkeiten einer verfassungsrechtlichen Gestaltung Mitteleuropas kristallisierten sich der Bundesstaat bzw. der Staatenbund als die „den staatsrechtlichen [und] den machtpolitischen Voraussetzungen und Bedingungen“ (S. 73) Europas entsprechenden heraus. An den in ihren Akzentuierungen und ihrer Ausführlichkeit sehr unterschiedlichen Instruktionen der kleinstaatlichen Kabinette an ihre Bevollmächtigten in Wien kann Hundt zeigen, daß für diese Staatengruppe die Forderungen nach einem Bundesoberhaupt - welches dem Kaiser von Österreich zugedacht war, dessen Rechte aber nicht näher bestimmt wurden - und einem Staatenbund, innerhalb dessen die eigenen Souveränitätsrechte möglichst gewahrt blieben, im Vordergrund standen. In letzterer Frage unterschieden sich die eigenstaatlichen Egoismen Oldenburgs, Bayerns oder Preußens nicht grundlegend (S. 81). Gleichzeitig wurden in einer ,,angemessene[n] Beteiligung der Bevölkerung an den Regierungsgeschäften und Rechtssicherheit des Bürgers im eigenen Staat“ (S. 79) entscheidende Instrumente zur Revolutionsprävention gesehen. In Auseinandersetzung mit den Beratungen der Deutschen Komitees (Österreich, Preußen, Hannover, Bayern, Württemberg) werden die Verfassungsvorstellungen der „mindermächtigen“ deutschen Staaten (Definition S. 99) sowie deren steigender Einfluß auf die Konzeption der künftigen deutschen Bundesverfassung und in diesem Zusammenhang die Entstehung der sogenannten „Kaisemote“ der Mindermächtigen vom 16. November 1814 beleuchtet. Grundlage dieser engen und durchaus erfolgreichen Zusammenarbeit der nichtköniglichen deutschen Kongreßgesandten, die die Mehrheit der deutschen Fürsten repräsentierten, seien allein die für diese Staaten existenzbedrohenden Verfassungsentwürfe Preußens gewesen. In über die deutsche Verfassungsproblematik hinausgehenden Fragen (Mainz, Sachsen) „dominierten sofort einzelstaatliche Egoismen und gegenseitiges Mißtrauen“ (S. 167). Versehen mit kurzen biographischen Einführungen werden die Verfassungsideen der führenden Diplomaten der Mindermächtigen (von Marschall zu Bieberstein - Nassau, von Berg - Schaumburg-Lippe, von Wiese — Reuß, von Plessen - Mecklenburg-Schwerin, von Gagem - Nassau, von Gersdorff - Sachsen-Weimar, Schmidt - Bremen) vorgestellt. Gemeinsam war diesen Konzepten nicht nur ihr weitgehend „privater“ Charakter, sondern das Ziel der Errichtung eines „gefestigten, allen Mitgliedern rechtliche und physische Sicherheit gewährenden und die Gleichheit aller Staaten anerkennenden Bund[es]“ (S. 229). Die Verfassungspläne orientierten sich daher an den ähnlich gelagerten Interessen Österreichs und griffen immer wieder auf die Idee einer trialistisch strukturierten Bundesverfassung zurück. Nur schwer nachvollziehbar ist daher, daß Hundt für die Mehrzahl Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 47/1999 - Rezensionen 301