Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 47. (1999)
STÖGMANN, Arthur: Die Erschließung von Prozeßakten des Reichshofrats im Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien. Ein Projektzwischenbericht
Zitationsprozessen (d. h. Fällen, in denen der Weg des wesentlich langwierigeren ordentlichen Verfahrens beschritten wurde).56 Im 16. und 17. Jahrhundert waren es vor allem protestantische Adelige, die ihr „traditionelles“ Selbsthilferecht zur Durchsetzung ihrer materiellen Ansprüche gegenüber kirchlichen Institutionen offensiv vertraten. Religionsstreitigkeiten bzw. Streitigkeiten mit einer konfessionellen „Färbung“ waren dementsprechend oft der Anlaß für die Verfügung von Mandaten de non turbando durch den Reichshofrat.57 Bereits im Jahr 1534 wandten sich der Bischof und sämtliche Klöster zu Augsburg an den Reichshofrat mit dem Antrag, ein Mandat de restituendo et non turbando in exercitio religionis catholicae gegen die Stadt Augsburg zu erlassen.5* Seit der Regierung Kaiser Rudolfs II. (v. a. in den Jahren nach 1590) geriet der Reichshofrat wiederholt durch seine Praxis, in Religionssachen schnell ein Mandat zugunsten der katholischen Partei zu erlassen, in die Kritik der protestantischen Aktionspartei unter den Reichsständen. Klagen über parteiliche Rechtsprechung, unrechtmäßige Ausweitung der Kompetenzen und das Übergewicht von Katholiken in der Zusammensetzung des Reichshofrats langten immer wieder am Kaiserhof ein.59 60 Einen Höhepunkt der Involvierung des Reichshofrats in die kaiserliche Religionspolitik stellte die erste Phase des Dreißigjährigen Krieges dar, die im Erlaß des Restitutionedikts (1629) gipfelte. Vielen davon betroffenen protestantischen Reichsständen erschien er zu dieser Zeit geradezu als „kaiserliches Terrorgericht“.611 Als Beispiele für Mandatsprozesse, in denen die Restitution einer im Zuge der Reformation „eingezogenen“ kirchlichen Einrichtung eingeklagt wurde, seien zwei aus der vorgestellten Bearbeitung genannt: Als der Bischof von Augsburg im Jahr 1626 den Grafen von Öttingen auf Restitution des Klosters Münchsroth verklagte, erließ der Reichshofrat noch im selben Jahr ein mandatum de restituendo, im folgenden Jahr eine pari tori a (d. i. eine nachdrückliche Aufforderung zur Befolgung des erlassenen Mandats), nachdem der Beklagte vom Reichshofrat als Die Erschließung von Prozeßakten des Reichshofrats 56 Hinzu kommen 285 Appellationsprozesse und 118 Gratialsachen. 57 In einem zwischen dem Kollegiatsstift zu St. Peter und Alexander in Aschaffenburg und dem Grafen Löwenstein-Wertheim in den Jahren 1745-1751 geführten Prozeß um die Beeinträchtigung von Zehentrechten am 9. Juli 1745 ein Mandat de non turbando gegen den Beklagten erlassen. Siehe: DB „RHR“, DS. 1409, Decisa K. 228. Vgl. AB 1/1/1 As 82. 58 DB „RHR“, DS. 1595, Decisa alt A 81. Vgl. AB 1/1/1 Augsburg 16 (1534-1535). 59 Ehrenpreis, Stefan: Der Reichshofrat im System der Hofbehörden Kaiser Rudolfs II. (1576— 1612). Organisation, Arbeitsabläufe, Entscheidungsprozesse. In: MÖStA 45 (1997), S. 187-205, hier S. 200. 60 Burckhardt, Johannes: Der Dreißigjährige Krieg. Frankfurt a. Main 1992 (Neue Historische Bibliothek. Edition Suhrkamp, N. F. 542), S. 95. Peter Moraw verwendet zur Kennzeichnung der Rolle des RHR in der ersten Phase des Krieges die Formulierung „kaiserliches Instrument im Glaubens- und Verfassungskampf\ Moraw: Reichshofrat, Sp. 632. 263