Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 47. (1999)

ARTL, Gerhard: Zur Tätigkeit des deutschen Militärattachés in Wien General Wolfgang Muff (1933–1938)

Gerhard Arti persönlich ein und übergab die Fortführung der Ermittlungen der Geheimen Staats­polizei.* 174 175 Parallel zur Entlassung unliebsamer Bundesheeroffiziere begann im Frühjahr 1938 die Wiedereinstellung ehemaliger Offiziere, die wegen ihrer nationalsoziali­stischen Gesinnung entlassen worden waren. Am 30. April erließ das Oberkom­mando der Wehrmacht einen Befehl, der die „Wiedergutmachung für Offiziere des ehemaligen Bundesheeres in Österreich“ betraf. Als Wiedergutmachung wurde dabei eine Rangerhöhung, im Regelfall um einen Dienstgrad, und eine entspre­chende Gehalts- bzw. Pensionsnachzahlung festgesetzt.174 Innerhalb weniger Wo­chen sollten knapp fünfzig Offiziere wieder in die deutsche Wehrmacht aufge­nommen werden.175 Muff wurde wegen seiner besonderen Kenntnis der Verhältnisse immer wieder im Einzelfall als Gutachter dazu herangezogen. Die grundsätzliche Position, die er dabei einnahm, läßt sich am deutlichsten im Falle des ehemaligen österreichischen Majors Wilhelm Ergert erkennen. Ergert, der ab 1928 Leiter der Chiffrier- und Auswertestelle im Landesverteidigungsministerium gewesen war, den illegalen Funkdienst der SA in Österreich aufgezogen hatte und bis zum August 1934 über Muff mit der Chiffrierstelle des Reichskriegsministeriums in Verbindung gestanden war, wurde von diesem folgendermaßen beurteilt: Nach der Flucht Ergerts in das Reich wandte sich seine Frau, wie so viele österreichi­sche Offiziersfrauen in ähnlicher Lage, an mich mit der Bitte, durch Verbindungsauf­nahme mit ihrem geflüchteten Mann für das wirtschaftliche Weiterleben der Familie zu sorgen. Ich erhielt dadurch Einblick in das Verhältnis Ergerts zu seiner Frau, das schließlich zu einer Scheidungsklage Ergerts gegen sie führte, die vor dem Landesge­richt in Ulm a. d. Donau durchgeführt und mit ihrer Ablehnung zugunsten der Frau en­digte. Ich gewann dabei den Eindruck, daß die Auffassung des Major Ergert über die Ehe nicht derjenigen entspricht, die im deutschen Offizierskorps gültig ist, und ich bin daher der Ansicht, daß vor seiner Anstellung als Ergänzungsoffizier die Frage seines Verhältnisses zu seiner Frau und zu seiner früheren Sekretärin sowie sein Verhalten in dem erwähnten Ehescheidungsprozeß einer Prüfung unterzogen werden müßten.176 Der Umbau und die Eingliederung des österreichischen Bundesheeres in die deutsche Wehrmacht erforderten mehrere Monate. Sie sollten im wesentlichen in 175 KA, B/1030, Nr. 74, NL Liebitzky: Behandlung des Offizierskorps des ehern. Bundesheeres nach der deutschen Besetzung 1938. 174 Dazu AdR, LV, BMfLV, Abt. A, 1938. Es wurden nur Offiziere wieder in den aktiven Dienst übernommen, die für eine längere Verwendung in Betracht kamen. 175 Dazu AdR, DWM, Akten des Wehrkreiskommandos XVII, Abt. 2A. Die finanzielle Wiedergut­machung zog sich aufgrund gesetzlicher Mängel bis in das Jahr 1944 hin. 176 AdR, LV, Akten des Archivstabes. Schreiben Muffs vom 3. Mai 1939. Dazu AdR, DWM, Perso­nalakt Wilhelm Ergert, * 10. Juni 1895 und KA, B/1221, NL Ergert. Ergert desertierte am 25. Au­gust 1934 nach Deutschland, wurde mit 25. November 1938 als Offz. z.V. in die Wehrmacht übernommen und mit Wirkung vom 31. März 1939 als Major aus dem aktiven Wehrdienst entlas­sen. Er war während des Krieges für die Abwehr in Prag tätig. Ab 1956 arbeitete er wieder für den österreichischen Nachrichtendienst. 244

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