Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 47. (1999)

SIENELL, Stefan: Die kaiserlichen Beratungsgremien und die spanische Erbfolge¬frage (1699/1700)

König und dessen Erben die Spanischen Niederlande, die Franch-Comté, Navarra, Neapel, Sizilien und die Philippinen.'4 Der Vertrag wurde und wird in der Literatur sehr unterschiedlich bewertet. Er wird einerseits als sinnvoller Ausgleich zwischen Österreich und Frankreich gese­hen, andererseits aber auch als schwerer politischer Fehler des Kaisers. In der poli­tischen und militärischen Situation Ende 1667/Anfang 1668 -als französische Truppen seit einem halben Jahr in den Spanischen Niederlanden standen - bot der Vertrag sicherlich beiden Seiten Vorteile: Ludwig XIV. neutralisierte einen mögli­chen Gegner im Kampf um die Spanischen Niederlande, und der damals nur sehr unzulänglich auf einen Krieg vorbereitete Leopold I. vermied eine Involvierung in militärische Auseinandersetzungen. Ein Streit um die zu erwartende spanische Erbschaft war mit diesem Vertrag zumindest vorläufig unterbunden. Die Betonung muß auf .vorläufig1 liegen, da wohl beide Seiten nicht an eine langfristi­ge Bindung an diesen Vertrag dachten. Sie waren zweifelsfrei geneigt, den Vertrag aufzugeben, und - sofern sich die Möglichkeit böte - bessere Optionen wahrzu­nehmen. Mit dem französischen Überfall auf Straßburg bzw. die Generalstaaten 1672 war der Status quo so weit verändert, daß Kaiser Leopold am 4. August 1672 dem spanisch-niederländischen Bündnis beitrat. Der Geheimvertrag von 1668 war damit de facto obsolet geworden. Aufgrund seiner inhaltlichen Bestimmungen wurde er jedoch über 30 Jahre nach seinem Abschluß noch einmal interessant: Der niederländische Gesandte Hop führte im Namen der Seemächte seit dem Frühsommer 1699 in Wien Gespräche, die eine Teilung der spanischen Länder zum Gegenstand hatten. In einer Unterre­dung am 26. Juli 1699 zeigte Hop sich verwundert, daß der Kaiser so viele Schwie­rigkeiten wegen einer Teilung der spanischen Monarchie mache, schließlich habe er doch schon 1668 einen diesbezüglichen Vertrag mit Frankreich geschlossen. Die Kommission empfahl als Erklärung für den Vertragsabschluß zu antworten, daß der Kaiser damahlen keine succession gehabt, auch viele turbulentien in Hungarn vorgesehen, nicht weniger auch erfahren müssen, wie Frankreich sich des Königs in Spanien min- derjährigkeit mißbrauchet, allenfals aber den tractat Selbsten nachgehends gebrochen, das Elsaß occupirt, und alle mittel und weege die gantze monarchie an sich zu bringen oder doch Ihre Kay. Mt. davon außzuschliessen tentirt hette. Jedoch würde guet seyn,- so schließt das Votum der Kommission im Hinblick auf ihren eigenen Kennt­nisstand über den Vertrag -, den inhalt des tractats, nachdem solcher nunmehr von den franzoscn selbst an den tag gegeben wurde, zu examiniren und zu sehen, was darin für umbstände angeführt, oder 44 Die kaiserlichen Beratungsgremien und die spanische Erbfolgefrage (1699/1700) 44 Zu den detailreichen Einzelbestimmungen bes. der Art. 3. Der Vertragstext ist abgedruckt bei L e g r e 11 e: Diplomatie fran^aise, Bd 1, S. 518-528; in französischer Übersetzung bei M i g n e t: Négociations, Bd. 2, S. 441-449. 135

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