Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 47. (1999)

SIENELL, Stefan: Die kaiserlichen Beratungsgremien und die spanische Erbfolge¬frage (1699/1700)

Stefan Sienell was sonsten darinn gutes für das ertzhauß stipulirt worden, da bevorab bey der confe- renz Vorkommen, daß Burgund Ihrer Kay. Mt. darinn reservirt seye.35 Die kaiserliche Kommission war also offensichtlich weniger gut über den Ver­trag von 1668 informiert als auswärtige Mächte. Der Vertrag war den kaiserlichen Räten grundsätzlich nicht unbekannt, aber mit den genauen inhaltlichen Bestim­mungen waren sie nicht vertraut!36 Zwei Tage später - am 2. August 1699 - machte sich die Kommission mit dem Inhalt des Vertrages von 1668 bekannt; an sich sollte es in dieser Sitzung um die Unterredung vom Vortag zwischen Kaunitz und Harrach einerseits und dem hol­ländischen Gesandten andererseits gehen, aber augenscheinlich nutzte man die Zusammenkunft, um sich mit den bisher unbekannten Vertragsbedingungen ver­traut zu machen. Während uns Aufzeichnungen Harrachs und Consbruchs über die Reaktionen der Räte und Sekretäre informieren, wird in dem Votum, das dem Kai­ser vorgelegt wurde, mit keinem Wort auf den Vertrag Bezug genommen.37 Man konzentrierte sich darin ganz auf die Beantwortung der Fragen, ob man auf die angebotene Proposition ein Gegenprojekt entwerfen, was man Hop antworten soll und wie das negotium fortzusetzen sei, so daß sich der Verdacht aufdrängt, die Kommission habe ohne Wissen des Kaisers Einsicht in den Vertragstext genom­men! Erst rund einen Monat später, am 31. August 1699, wurden sie ,offiziell' mit die­sem vertraut gemacht, als der Kaiser befahl zu besprechen, ob man die jüngste 35 Aus dem Votum der Kommission zur Sitzung vom 31. Juli 1699. KA, AFA, K. 209, Konv. ,Jan.- Juli 1699“, fol. 868'. Der Passus über die Antwort, die man Hop in der Frage des Vertrages von 1668 geben könne, beruht auf der entsprechenden Äußerung Mansfelds, wie das Protokoll Har­rachs nachweist. AVA, FA Harrach, K. 347, fol. 434r. Vgl. auch den Brief Kaunitz’ an Consbruch (Schwechat, 18. September 1699), in dem er ihm die Expedition einer Weisung an die kaiserli­chen Gesandten in Den Haag befiehlt, wobei ihnen mitzuteilen wäre, daß anno 1668 nicht sie, sondern Franckreich die damahlige tractaten incancinirt undt angefangen habe, folglich daß of- fertum gethan, denjenigen theil Ihro zu überlassen, wie er hernach stipulird worden. KA, AFA, K. 209, Konv. ,Aug.-Dez. 1699‘, fol. 357r. 36 Es hat also den Anschein, als hätte Harrach am 3. Juni 1698 in Madrid gegenüber dem französi­schen Gesandten Henri d’Harcourt die Wahrheit gesagt, als er beteuerte, er habe zwar von diesem Vertrag von 1668 gehört, sei jedoch nicht mit den Einzelheiten vertraut. Vgl. Gaedeke: Politik Österreichs, Bd 1, S. 204. Harrach wurde spätestens am 28. Januar 1697 über die Existenz dieses Vertrages informiert, wie aus seinen Aufzeichnungen im AVA, FAHarrach, K. 347, fol. 253r- 257v, hervorgeht. In dieser Besprechung, an der neben Harrach nur Kinsky und Bucelleni (sine secretario) teilnahmen, wurde über den Vertrag ganz allgemein gesprochen, ohne daß es einen Hinweis darauf gäbe, daß die Räte über die inhaltlichen Regelungen informiert waren. 37 Protokoll Harrachs: AVA, FA Harrach, K. 347, fol. 356r-359v. Protokoll Consbruchs: KA, AFA, K. 209, Konv. ,Aug.-Dez. 1699', fol. 109' 110V. Das Votum, geschrieben durch Consbruch: Ebenda, fol. 103r-108r. 136

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