Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 47. (1999)
SIENELL, Stefan: Die kaiserlichen Beratungsgremien und die spanische Erbfolge¬frage (1699/1700)
Stefan Sienell die Ursachen im Aufkommen der Kommissionen und der verstärkt vorkommenden eigenhändigen Approbationen des Kaisers liegen. Mit der Nachricht vom Tode Karls II. und dem Ausbruch des Krieges nimmt die Frequenz jedoch wieder deutlich zu. Es erweckt den Eindruck, als wolle der Kaiser nun wieder von möglichst vielen Räten Rat einholen, um bestmöglich auf die anstehenden Probleme reagieren zu können. Die Graphik verdeutlicht die Hektik, die den Wiener Hof erfaßte, um das Versäumte und Vernachlässigte so schnell wie möglich nachzuholen. Angesichts der genannten Fülle von 35 Sitzungen der .Kommission für die spanische Erbfolgefrage1 in den Jahren 1699/1700, soll an dieser Stelle nur ein Aspekt aus dem vielschichtigen Bereich der Erbfolgefrage exemplarisch einer etwas näheren Betrachtung unterzogen werden. Und zwar soll im folgenden die Frage im Mittelpunkt stehen, wie man in Wien angesichts der verschiedenen zur Debatte stehenden Teilungsmodelle zu jenem Geheimvertrag stand, den man am 19. Januar 1668 in Wien mit Frankreich ausgehandelt hatte,” der dahingehend eine Teilung vorsah, daß Leopold und seine Erben Spanien, Sardinien, Mailand, Italien bis vor Neapel und die Kolonien in Amerika erhalten sollte und der französische * S. ” Zu diesem Vertrag Auer, Leopold: Konfliktverhütung und Sicherheit. Versuche zwischenstaatlicher Friedenswahrung in Europa zwischen den Friedensschlüssen von Oliva und Aachen 1660- 1668. In: Duchhardt, Heinz (Hrsg ): Zwischenstaatliche Friedenswahrung in Mittelalter und Früher Neuzeit. Köln-Wien 1991 (Münsterische Historische Forschungen 1), S. 153-183, bes. S. 176-178. Vgl. aber auch nach wie vor die älteren österreichischen Darstellungen bei Wolf, Adam: Fürst Wenzel Lobkowitz, erster geheimer Rath Kaiser Leopold’s I. (1609-1677). Sein Leben und Wirken. Wien 1869, S. 161-180; Pribram, Alfred Francis: Franz Paul Freiherr von Lisola (1613-1674) und die Politik seiner Zeit. Leipzig 1894, S. 405-412, und Mecenseffy, Grete: Im Dienste dreier Habsburger. Leben und Wirken des Fürsten Johann Weikhard Auersperg (1615-1677). In: AÖG 114 (1938), S. 295-509. Die Beratungsprotokolle zu den Verhandlungen österreichischerseits liegen im HHStA, Allgemeine Urkundenreihe [in Hinkunft: AUR], 1668 Januar 19. Von französischer Seite: Bérenger, Jean: Une tentative de rapprochement entre la France et l’Empereur. Le traité de partage secret de la succession d’Espagne du 19 Janvier 1668. In: Revue d’histoire diplomatique 79 (1965), S. 291-314 (in englischer Übersetzung bei Hatton, Ragnhild (Hrsg.): Louis XIV and Europe, London-Basingstoke 1976, S. 133-152), sowie die ungedruckte Dissertation seines Schülers Romain, Philippe: La France et l’Autriche (1668— 1673). L’échec d’un rapprochement. 2 Bde. Paris Diss. 1984, wenngleich sie fast ausschließlich auf der französischen Überlieferung basiert. Im Zusammenhang mit dieser Dissertation sind zwei weitere Artikel vom selben Autor erschienen. Romain, Philippe: Le rapprochement franco- autrichien (1668-1672). ln: Les relations franco-autrichiennes sous Louis XIV. Siege de Vienne (1683) sous la direction de Jean Bérenger. Colloque ä propos du tricentenaire du siege de Vienna. Saint-Cyr-Coetquidan 1983, S. 1-19, und Romain, Philippe: Le travail des hommes de la paix au XVII' siede. Les cas des relations entre Louis XIV et Léopold I“ de 1668 ä 1672. In: Histoire, économie et société 5 (1986), S. 173-186. Zu den Verhandlungen aber auch immer noch die nach den französischen Quellen erarbeitete Darstellung bei M i g n e t: Négociations, Bd. 2, S. 323-441. 134