Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 46. (1998)

LILLA, Joachim: Die Bevollmächtigten für den Nahverkehr (Nbv) und ihre nachgeordneten Dienststellen in Österreich 1938 bis 1945

III. Aufgaben und Zuständigkeiten der Bevollmächtigten für den Nahverkehr Der Begriff Nahverkehr war ein terminus technicus, der im Jahre 1931 durch die Verordnung des Reichspräsidenten vom 6. Oktober 193182 eingeführt und durch das Gesetz über den Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen vom 26. Juni 193583 bzw. die zu diesem Gesetz erlassene Durchführungsverordnung vom 27. März 193684 modifi­ziert worden war. Der Nahverkehr umfaßte alle Transporte, die in der sogenannten Nahzone durchgeführt wurden, und war im Gegensatz zum Güterfernverkehr grund­sätzlich genehmigungsfrei; zu dieser Nahzone gehörten alle Gemeinden innerhalb eines Umkreises von 50 Kilometern. Die im Güternahverkehr eingesetzen Kraftfahr­zeuge waren mit einer entsprechenden Aufschrift zu kennzeichnen. Die zum Zeitpunkt der Einsetzung der Bevollmächtigten für den Nahverkehr im Sommer 1936 erlassenen Richtlinien für die Nbv ließen sich bislang nicht ermitteln. Die erste überlieferte Aussage zu den Funktionen der Nbv stammt von Anfang 193885: „Zu Ihrer Orientierung muß ich Ihnen sagen, daß die Nahverkehrsbevollmächtigten keine Friedensverwaltungstätigkeit haben, sondern reine Mobilmachungsstellen sind. Sie ressortieren vom RVM und zwar in der Herrn Ministerialdirektor Brandenburg unter­stellten Abteilung für Straßenverkehrswesen.“ Den Bevollmächtigten für den Nahverkehr war zunächst nur die Aufgabe zugewie­sen, einen optimalen Einsatz der im Ernstfall noch verfügbaren Transportmittel im Nahverkehr zu gewährleisten. Hierunter fielen aber auch Transportleistungen etwa für den Bau des Westwalls. Im Laufe des Krieges wurden den Nbv immer neue Auf­gaben übertragen, die zugleich eine erhebliche personelle Aufstockung der Nbv- Dienststellen bedingten. Nach der drastischen Einschränkung des Güterfernverkehrs auf der Straße zu Beginn des Krieges wurden die Bevollmächtigten für den Nahver­kehr auch in das danach erforderliche Genehmigungsverfahren einbezogen. Durch Runderlaß vom 15. Mai 1940 gab der Reichsverkehrsminister Richtlinien für die Nbv zur allgemeinen Kenntnis, die „unter Auswertung der bisherigen Anordnungen und Erfahrungen“ neu gefaßt worden sind; sie werden hier wegen ihrer grundsätzli­chen Bedeutung nur unwesentlich gekürzt wiedergegeben86. Die Bevollmächtigten für den Nahverkehr und ihre nachgeordneten Dienststellen in Österreich 1938 bis 1945 82 VO des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen vom 6. Oktober 1931, RGBl. 1931 I, S. 537, vgl. auch Deutsche Verwaltungsgeschichte 4, S. 269 f. 83 RGBl. 1935 1, S. 788. Zur Vorgeschichte des Gesetzes und seiner verkehrspolitischen Zielsetzung vgl. Deutsche Verwaltungsgeschichte 4, S. 916 f. 84 RGBl. 1936 I, S. 320. 85 RVM K 3.772, 24. Januar 1938, Privatdienstschreiben von Staatssekretär (im RVM) Gustav Koenigs an Minister Dr. Eduard Hamm, München, BA-P R 5/8670. 86 RVkBl. 1940 B, S. 199. Der RVM weist daraufhin, daß diese Richtlinien die Zustimmung des Stellvertre­ters des Führers, aller beteiligten Reichsressorts sowie der Reichsbahn und der Reichspost gefunden hätten und daher für alle am Straßenverkehr Beteiligten verbindlich und maßgebend seien. Eine stark verkürzte erste Fassung dieser Richtlinien gab der RVM im Januar 1940 den neu errichteten Nbv in Karlsruhe, Danzig, Posen und Weimar zur Kenntnis, Anlage 2 zum RdErl vom 27. Januar 1940, BA-KO R 2/23032, 163

Next

/
Thumbnails
Contents