Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 46. (1998)

LILLA, Joachim: Die Bevollmächtigten für den Nahverkehr (Nbv) und ihre nachgeordneten Dienststellen in Österreich 1938 bis 1945

Joachim Lilla len“ angelegt3. Die Organisation der Bevollmächtigten für den Nahverkehr bietet darüber hinaus einige verwaltungsgeschichtlich interessante Forschungsansätze: Sie waren zwar Dienststellen der Straßenverkehrsverwaltung des Reiches, wurden aber bei mittelinstanzlichen Reichs- und preußischen Behörden sowie einigen Zentralbe­hörden der Länder errichtet. Die Einsetzung der Bevollmächtigten für den Nahver­kehr stand einerseits im Zusammenhang mit der frühzeitig einsetzenden kriegswirt­schaftlichen Vorbereitung in Friedenszeiten, hier im Bereich der Neuordnung des Verkehrswesens, griff aber andererseits auf ein Instrumentarium zurück, mit dem bereits 1931 der Ferntransport auf der Straße zugunsten des Transports auf der Schiene Einschränkungen unterworfen wurde; allerdings unter nunmehr veränderten politischen Voraussetzungen, denn inzwischen war der Kraftverkehr als selbständi­ger Verkehrsträger anerkannt worden. Organisatorischer Unterbau der Bevollmäch­tigten für den Nahverkehr auf der Kreisebene waren ab 1938 die Fahrbereitschafts­leiter, die ab 1941 in die Verwaltungen der kreisfreien Städte und der Landkreise eingegliedert wurden. Durch die territoriale Erweiterung des Reichsgebiets wurde auch die Organisation der Bevollmächtigten für den Nahverkehr ausgeweitet. Im Kriegsverlauf wurden dann in fast allen besetzten Gebieten Nbv oder vergleichbare Dienststellen einge­setzt. Im Reichsgebiet vollzog sich 1942/43 teilweise eine Angleichung der - bislang an den Wehrkreisgrenzen ausgerichteten - örtlichen Zuständigkeit der Bevollmäch­tigten für den Nahverkehr an die Grenzen der auf der Grundlage der Grenzen der Parteigaue neu geschnittenen Reichsverteidigungsbezirke bzw. Wirtschaftsbezirke4. Nahezu völlig unbeachtet ist bislang die Tatsache geblieben, daß bereits während des Krieges Pläne entwickelt wurden, die Dienststellen der Bevollmächtigten für den Nahverkehr nach Kriegsende mit erweiterten Kompetenzen zu Straßenverkehrsdi­rektionen für eine Friedensverwaltungstätigkeit auszubauen. Daß die Bevollmächtigten für den Nahverkehr in der Literatur kaum berücksich­tigt worden sind, dürfte mit der äußerst ungünstigen Quellenlage Zusammenhängen, da die Aktengruppen, unter denen die Angelegenheiten der Bevollmächtigten für den Nahverkehr geführt worden sind (Verfassungs-, Verwaltungs- und Reichsver­teidigungsangelegenheiten), Geheimakten waren und aufgrund der damaligen Wei­sungslage überwiegend gegen Kriegsende vernichtet werden mußten. Daher ist die Schriftgutüberlieferung zwar nur sporadisch; die grundlegenden Sachverhalte und Strukturen konnten aber anhand diverser Archivüberlieferungen dokumentiert bzw. rekonstruiert werden. Außerdem stellten Dienststellen der Deutschen Bahn AG und der Österreichischen Bundesbahnen Personalunterlagen über mehrere Nbv zur Ver­fügung oder erteilten Auskünfte aus bei ihnen vorhandenen Akten5. Die nicht zu 3 Privatdienstschreiben (RVM K 3.772) von Staatssekretär im RVM Gustav Koenigs an Minister Dr. Eduard Hamm, München, 24. Januar 1938, Bundesarchiv Potsdam (in Hinkunft: BA-P) R 5/8670. 4 Hiervon waren die Nbv-Bezirke in Österreich nicht betroffen, da dort bereits seit 1939 die staatlichen Verwaltungsgliederungen mit den Parteigauen übereinstimmten. 5 Hier sind besonders zu nennen die Zentrale Personalaktenstelle der Deutschen Bahn AG in Berlin (in Hinkunft: DB-ZPa) und die Pensionsstelle der Österreichischen Bundesbahnen in Wien. 148

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