Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 46. (1998)

LILLA, Joachim: Die Bevollmächtigten für den Nahverkehr (Nbv) und ihre nachgeordneten Dienststellen in Österreich 1938 bis 1945

leugnenden Probleme, die sich bei der Erforschung der Bevollmächtigten für den Nahverkehr ergeben, werden noch durch die Tatsache untermauert, daß bereits Ende der vierziger Jahre bei Behörden und Organisationen erhebliche Unsicherheit dar­über bestand, wann, wie und warum die Bevollmächtigten für den Nahverkehr ei­gentlich genau eingerichtet worden sind6. Auch war der Wortlaut des Geheimerlas­ses, durch den im Sommer 1936 die Bevollmächtigten für den Nahverkehr errichtet und deren ursprüngliche Aufgaben umschrieben wurden, nicht zu ermitteln7. Die Bevollmächtigten für den Nahverkehr und ihre nachgeordneten Dienststellen in Österreich 1938 bis 1945 I. Vorgeschichte „Unter betontem Verzicht auf nach außen hin erscheinende Selbständigkeit“ der Straßenverkehrsbehörden8 übertragen der Reichs- und Preußische Minister des In­nern und der Reichs- und Preußische Verkehrsminister durch Erlaß vom 31. August 19369 mit Wirkung vom 1. Oktober bestimmten Mittelbehörden, also mittelinstanzli- chen Reichs- und preußischen Behörden der allgemeinen und inneren Verwaltung (in der Regel den Oberpräsidenten und den Zentralbehörden der Länder am Sitz einer Wehrkreisverwaltung), vorsorglich „die einheitliche Lenkung der noch vor­handenen Straßenverkehrsmittel“. Gemeint war, „im Ernstfall alle Nahverkehrsmit­6 So fuhrt beispielsweise die Industrie- und Handelskammer Düsseldorf in einer Denkschrift vom 4. August 1948 die Errichtung der Nbv auf die Verordnung (in Hinkunft: VO) zur Durchführung des Vierjahres­plans vom 18. Oktober 1936, Reichsgesetzblatt (in Hinkunft: RGBl.) 1936 I, S. 887, zurück, Haupt­staatsarchiv Düsseldorf (in Hinkunft: HSTAD) NW 23/304, Bl. 121 ff., während der Verkehrsdezement des Regierungspräsidenten Arnsberg, RR Dr. Blume, einige Wochen vorher, am 24. Juli 1948, die Vermu­tung äußerte, die Nbv seien erst 1938 „unter dem Druck der in steigendem Maße staatlich gelenkten Wirt­schaft“ eingesetzt worden, ebd. Bl. 104 ff. Vi etzen, Hermann: Chronik der Stadt Stuttgart 1945 - 1948. Stuttgart 1972, (Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Stuttgart 25), S. 397, vermutet, die Nbv (im konkreten Fall Stuttgart) wären erst „zu Beginn des Krieges“ eingerichtet worden. 7 Gemeinsamer Runderlaß (in Hinkunft: GemRdErl) des Reichs- und Preußischen Ministers des Innem (in Hinkunft: RuPrMdl) und des Reichs- und Preußischen Verkehrsministers (in Hinkunft: RuPrRVM) vom 31. August 1936, Aktenzeichen RL/K 3 Nr. 1265/36 gRs., erwähnt in Anlage 1 zum RdErl des Reichs­verkehrsminister vom 27. Januar 1940, RL/K 9. 127/40, BA-KO R 2/23032, Bl. 160. Nach Übergang der preußischen Verkehrsanlegenheiten auf das Reich 1935 firmierte der RVM bis 1938 als Reichs- und Preußischer Verkehrsminister. 8 So der RVM rückblickend 1941, BA-KO R 2/23033, Bl. 98. 9 Dieser Erlaß konnte bisher nicht ermittelt werden, vgl. Anm. 7. Dennoch enthält der Runderlaß (in Hin­kunft: RdErl) des RVM vom 27. Januar 1940, RL/K 9. 127/40, BA-KO R 2/23032, Bl. 160 ff, der im Zusammenhang mit der Einsetzung neuer Nbv in Danzig, Karlsruhe, Posen und Weimar herausgegeben wurde, grundsätzliche Aussagen, aus denen die Grundgedanken der Errichtung der Nbv 1936 gefolgert werden können. Die entsprechenden Passagen dieses Erlasses werden im folgenden wiedergegeben. Au­ßerdem ist der Erlaß vom 31. August 1936 inhaltlich kurz erwähnt - mit dem ausdrücklichen Hinweis auf einen „Geheimerlaß“ — in einem Schreiben des Innenministers von Nordrhein-Westfalen an den Ver­kehrsminister NW, 25. November 1947, HSTAD NW 23/316, Bl. 22 f.; entsprechende Hinweise geben auch Romeyk, Rheinprovinz, S. 145, und Leesch, Provinz Westfalen, S. 25 mit Fußn. 30. Daß die Nbv mit Wirkung vom 1. Oktober 1936 eingesetzt wurden, ergibt sich aus den Personalakten Wetzler und Deischl, DB-ZPa, und Raible, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (in Hinkunft: HSTAS) E 151/21 Bü 941; die­ser Termin ist auch vom damaligen stellvertretenden Nbv Stuttgart, Bundesbahndirektor i. R. Albrecht Zahn, bestätigt worden. 149

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