Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 45. (1997)
AMMERER, Gerhard: Der letzte österreichische Türkenkrieg (1788–1791) und die öffentliche Meinung in Wien
Gerhard Ammerer mationsbedürfnis keineswegs auf die Städte bzw. auf die Residenzstadt Wien beschränkt blieb und Diskussionen über die Kriegsnachrichten auch auf dem Lande stattfanden154. Die Tatsache, daß die öffentliche Meinung zu den Ereignissen des ersten Kriegsjahres zum größeren Teil negativ bis kritisch ausfiel, wird sowohl aus der Berichterstattung und den Broschüren, als auch aus der privaten Korrespondenz deutlich: „Man betet lieber für die Türken, als für Joseph II. Dieser Krieg ist ungerecht und er beweist die Undankbarkeit Österreichs, die man ihm auch nie vergessen wird“157, heißt es in einem privaten Schreiben. Und ein ausländischer Gesandter berichtet aus Wien: „Der Pöbel legte sogar eine wahre Freude über die österreichischen Mißerfolge an den Tag.“158 Ebenfalls nur partiell greifbar werden die mitunter sehr handfesten Auswirkungen der intensiven Meinungsbildung. Mit dem Ausbleiben von Militärerfolgen (und noch vor der Verhängung der Türkensteuer) beschrieb die junge Erzherzogin Elisabeth im Oktober 1788 die herrschende Situation derart: „Lacy darf es nicht wagen, nach Wien zu kommen, da alles gegen ihn erbittert ist.“159 Offenbar war auch in den herrschaftlichen Kreisen die „Volksmeinung“ bekannt. Zu dieser Zeit kursierten bereits Spottgedichte über den Feldherrn und im selben Monat versammelte sich der „Pöbel“ vor seinem Landhaus und bewarf es mit Steinen. Berichtet wird auch davon, daß einer im Garten stehenden Marmorbüste des Mars eine Schlafmütze aufgesetzt wurde140. Nach seiner Rückkehr nach Wien als kranker Mann hatte selbst der Kaiser ähnlichen Spott zu ertragen. Folgendes miserabel getextetes Pamphlet hing an Mauern und Säulen der Residenzstadt: „Wie wird es wer’n Mit unserm Herrn, Kommt zurück aus dem Feld Und hat kein Gesund noch Geld. Ist's Brot und Mehl a so theuer, Verlangt der Saprament noch Kriegssteuer. Man siehts schon, er kann nicht regieren, Man muß ihn halt jubiliren. Ja? Aber wie steht’s mit der Pension? Dient erst 9 Jahr und hat kein’ Prätension.“141 Groß-Hoffinger berichtet in seiner großen Joseph-Biographie auch über eine Demonstration gegen die Türkensteuer vor den Palasttoren des Kaisers142. In den VororVgl. Ge st rieh: Absolutismus und Öffentlichkeit, S. 131 f. Mitrofanov: JosephII., S. 212. Ebenda, S. 212. K o t a s e k: Feldmarschall Graf Lacy, S. 179 (Zitat). Mitrofanov: JosephII., S. 369 f. Zitat nach Brunner, Sebastian: Der Humor in der Diplomatie und Regierungskunde des 18. Jahrhunderts. Wien 1872. (Letzte Zeile: Prätension = Prätention = Anspruch; „dienet erst 9 Jahre“: nach den Bestimmungen seines Pensionsnormales von 1781 hätte Joseph II., da er noch keine vollen zehn Jahre im Amt war, keinen Pensionsanspruch gehabt). Groß-Hoffinger: Lebens- und Regierungsgeschichte, S. 128. Zum Status als Quelle vgl. Anm. 26. 84