Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 45. (1997)

AMMERER, Gerhard: Der letzte österreichische Türkenkrieg (1788–1791) und die öffentliche Meinung in Wien

Der letzte österreichische Türkenkrieg (1788-1791) Wiener „Volksliebling“137. Wie die Publizisten, so bemühte auch er sich, die Au­thentizität der Darstellungen durch Hinweise auf vor Ort angefertigte Skizzen nach­zuweisen bzw. zu fingieren. Im August 1788 erwähnte er etwa in der Wiener Zei­tung einen „Mr Morache“, der ihm naturgetreue Abbildungen zur Verfügung gestellt habe. Nachweislich lieferte ihm einige solcher Vorlagen der junge Hauptmann Josef Christian Auracher von Aurach138, viel wird jedoch wohl der Phantasie des Stechers entsprungen sein. Löschenkohl stellt allerdings mit seinen Bildern in augenscheinlich tendenziöser Weise lediglich die Siege der kaiserlichen und zaristischen Truppen dar, während militärische Rückschläge, die mangelhafte Kriegsstrategie der Verbündeten, die schwerwiegenden Probleme mit Krankheiten und Seuchen etc. völlig ausgeblendet bleiben139. Seine loyale Einstellung machte den Stecher zu einer Art (bildlichen) „Hofberichterstatter“140 der josephinischen Politik, (der im übrigen auch im Ausland häufig nachgekupfert wurde)141. Noch deutlicher als auf den Stichen mit Kriegsdar­stellungen wird die propagandistische Zielsetzung in den Karikaturen. Hier gibt Löschenkohl die Türken der Lächerlichkeit preis, wie etwa in der gestochenen Be­gräbnisszene des Sultans Abdul Hamid im April 1789142 oder den Abbildungen im „Türkischen Helden Calender auf das Jahr 1790“, wo die Kriegsgegner als Schar komischer Gnome im Stil der populären Callot-Figuren dargestellt werden143. Solche Darstellungen sind zum einen Ausdruck überkommener traditionell­kollektiver Haltungen144, wie sie auch bei einem Teil der Publizistik faßbar sind (siehe oben), sie scheinen hier jedoch auch eine starke tendenziös-agitatorische Aus­richtung aufzuweisen. 137 „Löschenkohl ist der Volksliebling in Wien, weil er im letzten Türkenkriege 28 Siege in Kupfer gestochen hat, bey welchem allein tote Türken auf dem Schlachtfelde liegen.“ (berichtet Trencks Monatsschrift 1792, zitiert aus Witzmann: Löschenkohl, S. 20). 138 Witzmann: Löschenkohl, S. 19. Von manchen Ereignissen wird berichtet, daß Löschenkohl als Augen­zeuge dabei war und die Abbildung „richtig“ sei (wie etwa bei der Vermählung von Erzherzog Franz; Das Wienerblättchen vom 7. Februar 1788). 139 Vgl. Ammer er, Gerhard: „Scherz und Emst bey einem zwischen den Drey Kayser-Höfen, Rußland, Oesterreich u: der Ottomannischen Pforte angestellten Triset Spiel“ - Ein allegorischer Kupferstich zum Türkenjahr 1788 und die öffentliche Diskussion. In: Homo Ludens. Der spielende Mensch V. 1995, S. 288. 140 Witzmann: Löschenkohl, S. 14. Allerdings werden in einigen wenigen Stichen auch Schwächen und Mißerfolge der Reformen karikiert. 141 Amm er er: Scherz und Emst, S. 281 f. 142 „Leichenbegängniß des Abdul Hamid türkischen Kaisers am 7. April 1789“, abgebildet bei W i t z m a n n: Löschenkohl, S. 12. Auf diesem Stich tragen etwa zwei Dutzend Türken eiligen Fußes den Sarg des Sul­tans mit jeweils nur einem Finger. 143 Abbildungen bei W i t z m a n n: Löschenkohl, S. 17. Vgl. Abb. 3-6: Karikaturen aus „Türkischer Helden Calender auf das Jahr 1790“ von Hieronymus Lö­schenkohl. 144 Vgl. Heini sch, Severin: Die Karikatur. Ober das Irrationale im Zeitalter der Vernunft. Wien-Köln- Graz 1988 (Kulturstudien. Bibliothek der Kulturgeschichte. Bd. 14), S. 21. 81

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