Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 45. (1997)

AMMERER, Gerhard: Der letzte österreichische Türkenkrieg (1788–1791) und die öffentliche Meinung in Wien

Gerhard Ammerer einig: „O, daß doch diese grose Wahrheit alle kriegführenden Mächte beherzigen möchten! - ,Krieg bringt kein Heil!““27. Bildreportage Im Fahrwasser der Broschürenflut avancierten in den 1780er Jahren im schau- und lesewütigen Wien auch kritische Stiche, allegorische Blätter und Karikaturen zu Verkaufsschlagern128. Ab 1781 war es in Wien vornehmlich der Stecher und privile­gierte Verleger Hieronymus Löschenkohl, der mit seinen Mitarbeitern über 700 Blätter zum aktuellen Zeitgeschehen verfertigte und somit zurecht als „Bildbe­richterstatter der Josephinischen Zeit“125 gilt. „Seine Hauptspekulation ging auf die Benützung des Augenblicks, der Gegenwart“, schrieb der Buchhändler und Schrift­steller Franz Gräffer, „die meisten solcher Bilder wurden verschlungen“130. Löschen­kohl selbst sprach in einer Ankündigung in der Wiener Zeitung von „Zeitgeschichte in Bildern“131. Offenbar ließ sich der Türkenkrieg auch in Bildform gut vermarkten. So entstand Blatt um Blatt mit Türken, Schlachten, Plänen und Landkarten132. Die Beilage des Türkenkalenders 1790133 fuhrt bereits 182 Stiche an, bis zum Friedens­schluß werden es wohl weit über 200 gewesen sein134. Die Wiener konnten sich somit um billiges Geld135 Objekte zur Erbauung, zur Befriedigung der Sammelleidenschaft oder auch zur Diskussionsanregung kaufen. Und sie taten das in entsprechendem Maße, sonst wäre eine derartige Fülle von Darstellungen nicht erklärbar. Mit dieser umfangreichsten Serie zu zeitgenössischen Ereignissen avancierte der Stecher und Verleger, der allerdings nicht als einziger Türkenkriegsbilder produzierte136, zum * * * * * * * * * * 127 128 129 130 13) 132 133 134 135 136 Wangermann: Nulla salus bello, S. 118. In Wien kam es erst 1766 zur Gründung einer Kupferstecherakademie, wo das entsprechende Fachwissen vor Ort vermittelt wurde (Kortschak, Ulrike: Illustrierte Flugblätter und populäre Druckgrafik zur Revolution von 1848 in Wien - Ihre Gestaltungsprinzipien und ihre angestrebte Wirkung in der Öffent­lichkeit. phil. Diss. Wien 1982, S. 48). Waissenberger, Robert: Die Zeit, in der Hieronymus Löschenkohl wirkte. (Einleitung) In: Witz- mann, Reingard: Hieronymus Löschenkohl. Bildreporter zwischen Barock und Biedermeier. Wien 1978, S. 5. Gräffer, Franz: Kleine Wiener Memoiren und Wiener Dorfstücke, hrsg. von Schlossar, Anton. München 1918, 1. Bd, S. 253 f. Zitat nach Hieronymus Löschenkohl. Ausstellungskatalog des Historischen Museums der Stadt Wien. Wien 1959, S. 13. Sammlungen von Löschenkohlblättem über den Türkenkrieg finden sich in Wien etwa im Historischen Museum der Stadt Wien und im Kriegsarchiv Wien. In der niederösterreichischen Landesausstellung (Melk 1980) wurden weiters Türken-Stiche aus dem Graphischen Kabinett in Göttweig und dem Budape- ster Magyar Nemzeti Muzeum gezeigt. Vgl. Österreich zur Zeit Kaiser Josephs II. Mitre­gent Kaiserin Maria Theresias, Kaiser und Landesfurst. Katalog zur niederösterreichischen Landesausstel­lung in Melk. Wien 1980 (Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums, N. F. Nr. 95), S. 672 f. Türkischer Helden Calender auf das Jahr 1 790. Wien 1790. W i t z m a n n: Löschenkohl, S. 19. Eine einfache Radierung kostete 40 Kreuzer, ein großer Bilderbogen um die 1 Gulden 30 Kreuzer. Vgl. etwa die künstlerisch wenig ansprechenden Bild- und Texthefte: Der Türkenkrieg in Bildern, oder Vorstellung der wichtigsten Vorfälle, welche während den im Jahre 1788 entstandenen Kriege vorgefallen sind, 3 Hefte (mit je 10 „Vorstellungen“). Prag-Wien o. J. 80

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