Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 45. (1997)

AMMERER, Gerhard: Der letzte österreichische Türkenkrieg (1788–1791) und die öffentliche Meinung in Wien

Gerhard Ammerer „Auch Dummheit ist nicht gem allein, besser geht es zu zwei'n ... Hört, ihr lieben Leute, höret, was ich euch sage: wie früher ist’s auch heute, voll Torheit ist die Welt ...“m Die Annahme, daß Mozart der Türkenpolitik Josephs II. im Grunde kritisch ge­genüberstand, vermag ich neben dem Hinweis auf die in Wien vorherrschende An­tikriegsstimmung durch einen weiteren, ganz konkreten Hinweis zu erhärten, näm­lich durch den Eintrag in einer Pränumerationsliste: Mozart subskribierte 1788 ne­ben einer Reihe von Wiener Aufklärern die bereits genannten, stark antijosephini- schen ausgerichteten „Oesterreichischen und türkischen Kriegslieder“* 112, die das Grauen des Krieges in Verse faßten - und das zu einer Zeit, als ihn bereits Finanznö­te plagten113. Mit diesem Griff in die musikalisch-ironische Trickkiste konnten Mozart und Baumann hoffen, vom Wiener Publikum verstanden und zumindest mit einem Schmunzeln bedacht zu werden. Folgt man dieser Möglichkeit einer Deutung, wofür doch einiges spricht, so stellt sich das Lied als reine Parodie dar114. Satirisch und voller Witz nimmt ein kleiner Band von Joachim Perinet die im No­vember 1788 erlassene Kriegssteuer115 aufs Kom: „Die Liliputische Steuerfassion“. Auf über 100 Seiten geben darin Menschen unterschiedlichsten Standes und Berufes, wie auch verschiedene Tiere ihre Steuererklärung (= Fassion) ab und legen ihre Argumente dar, wamm sie außerstande seien, für die unnütze „Froschsteuer“, die „zur Vertilgung dieser kleinen Ungeheuer“116 (= der Frösche) eingehoben werden sollte, einen Beitrag zu leisten. Wortwitz und Anspielungen auf verschiedene jose- phinische Reformen sind zwei der grundlegenden Stilmittel: ,passion eines Scharfrichters. Seitdem, nach der gepriesenen Aufklärung in Liliput kein Kopf mehr zu verlieren ist, hab ich gar kein Geschäft117. Fassion eines Rekrouten. Endesgefertigter ist, als zum Kriegsstaate gehörig, von der Froschsteuer frei, weil er vielleicht bald die Kopfsteuer fur’s Vaterland entrichten muß118. Haydn, Joseph: List und Liebe (La vera costanza), Nr. 5. Arie des Masino: „Spann’ deine langen Ohren..." (Italienisch: „So che una bestia sei...“). 112 Vgl. diese Liste am Beginn des Bandes der Oesterreichischen und türkischen Kriegslieder, o. S. 113 Ammerer: Kaiser, S. 55. 114 Badura-Skoda: Personal Contacts, S. 420. Die Autorin nimmt auch an, daß es sich dabei um eine subtile Revanche gegenüber dem Kaiser handeln könnte, der ihn nicht in seine Dienste aufgenom­men hatte. In der Musikwissenschaft ist allerdings bereits die Frage strittig, ob Mozart überhaupt eine Stelle bei Hof anstrebte. 115 Vgl. die fiir die verschiedenen Stände unterschiedlichen Steuersätze im Patent vom 13. November 1788. In: Handbuch aller unter der Regierung des Kaisers Joseph des II. fiir die K.K. Erbländer ergangenen Ver­ordnungen und Gesetze in einer Sistematischen Verbindung. Wien 1789, 15. Band, S. 159-166 (daran an­schließend Zusätze fiir diverse Kronländer). 116 Perinet, Joachim: Liliputische Steuerfassion. Wien 1789, S. 4. 117 Ebenda,S. 17 (Anspielung auf die Abschaltung der Todesstrafe). 118 Ebenda, S. 21. Das Militär war generell von der Steuer befreit. Wie hier, so hält sich Perinet in der Form des Vorbringens der Gründe (vage) an die im Gesetz vorgesehenen und dort auch in Beispielen ex­78

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