Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 45. (1997)

AMMERER, Gerhard: Der letzte österreichische Türkenkrieg (1788–1791) und die öffentliche Meinung in Wien

Gerhard Ammerer Kaiser Joseph lebe hoch! Lebe viele Jahre noch.. .“)100- bis stark antijosephinisch aufwiesen. „Die Kriegsfurie“ wurde als erstes Gedicht der „Oesterreichische(n) und türkische(n) Kriegslieder“ losgelassen101. Auch die darin veröffentlichte „Phantasie eines Menschenfeindes beym Ausbruch des Türken­kriegs“ beschwört die Katastrophe: ,Du, Krieg! dem ich dieß Freudenfest Zu Ehren angestellt, Geh nimm den Hunger und die Pest Steig auf zur Oberwelt: Zünd’ Hütten, Städt’ und Schlösser an, Wirf Festen in die Luft, Bereite Kind und Weib und Mann In Trümmern eine Gruft. Was hab ich denn vom Vaterlande, daß ich mein Leben lassen soll? Mein Leben! - einer Türkenbande! - Sagt, Brüder, sagt, ist das nicht toll? ...“I02 In diesen Strophen begegnet es uns erneut in aller Deutlichkeit: das Motiv des Aufbegehrens gegen eine Politik, die das Volk ablehnt, die es schwerstens belastete und dem es keinen rechten Sinn abgewinnen kann. Einzelne solcher kritischen Lie­der erschienen auch in inländischen wie ausländischen Zeitschriften103. Mit einem prominenten, wenn auch selten aufgefuhrten Türkenkriegslied hat die Musikwissenschaft bis heute ihre Schwierigkeiten. Es handelt sich um die Verto­nung eines Gedichtes des großen literarischen Dilettanten Johann Wilhelm Ludwig Gleim104 durch Wolfgang Amadeus Mozart. Otto Biba etwa ortet bei diesem vierstro- phigen Lied mit dem Titel „Ich möchte wohl der Kaiser sein“ (KV 539) „zündenden Patriotismus“105. Mozart komponierte die Melodie am 5. März 1788 für den beliebten Komiker am Leopoldsstädter Theater Friedrich Baumann, der dieses Lied zwei Tage später in (Anonym:)Kriegslieder für Josephs Helden, bey den Feldzügen gegen die Türken, o. O. 1788, S. 12. 101 Die Kriegsfurie. In: Oesterreichische undtürkische Kriegslieder. Wien 1788, S. 1 ff 102 Phantasie eines Menschenfeindes beym Ausbruch des Türkenkriegs. Ein Fragment. In: Oesterreichische undtürkische Kriegslieder. Wien 1788, S. 70 ff. (Zitat: S. 74). 103 Z. B. das „Lied eines Bauern an der türkischen Gränze“ in der Wochenschrift „Der Beobachter“. Stuttgart 1789, Musikalische Beylage VI: „S’ist Krieg! S’ist Krieg!/Wie gräßlich tönt das Wort in unsem Ohren! In Strömen fließet schon das Blut/Ach! uns entfallen ist der Mutt. Herr hilf! wir sind verloren ... Sagt an, sagt an, ihr Mächtige/ Ruhts’s sanft auf weichen Küssen, Wenn tausend Menschen um euch her/Versenkt in ei­nem Treibsandmeer Für eure Grillen büssen? ...“ 104 Neubauer, Josef: Weiss und Rosenfarb. Die Dichter der Mozartlieder. 16 Miniaturen. Wien 1990, S. 28. 105 Biba, Otto: In: Mozart-Martineen 1995 (Programmheft). Salzburg 1995, S. 75. 76

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