Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 45. (1997)

AMMERER, Gerhard: Der letzte österreichische Türkenkrieg (1788–1791) und die öffentliche Meinung in Wien

Gerhard Ammerer Publikum87. In der „Oberdeutschen allgemeinen Litteraturzeitung“ wurde die Bro­schüre sogar zweimal besprochen (ein Zeichen dafür, daß sie auch noch 1789 viel gelesen wurde). Die beiden Rezensenten waren sich jedoch nicht einig, ob nur Kritik an der Sprache des anonymen Autors zu üben sei (September 1788)88 oder ob man diesen doch pauschal abzulehnen und „mit dem Nahmen eines pedantischen Decla- mators gegen die monarchische Gewalt, und eines läppischen Pedanten“89 zu belegen habe, dessen Schrift aus Nonsens, Widersprüchen und Ungereimtheiten bestehe (November 1789). In Schubarts Chronik hingegen las man vor einer kurzen Inhalts­angabe folgende Zeilen: „Jüngst erschien zu Wien eine Schrift, betitel: ;Ein Wort im Vertrauen über den Tür­kenkrieg“, in einem Tone, der dem kühnsten und freimüthigsten Britten Bewunderung abnöthigen würde“90. Lied, Satire, Schauspiel Im Liedgut wurden die Klischeebilder über die Osmanen als Zerstörer der Chri­stenheit trotz aller neuen ökonomischen und intellektuellen Interessen an der Türkei zumeist unverändert tradiert91. Das zeigte sich bereits bei den Soldatenliedern „Auf das Gerücht vom Türkenkriege zu Anfang 1783“92. Vor allem bei den Volksliedern fallen klischeehafter Charakter und Formelhaftigkeit (besonders bei den An­fangsstrophen und der Verwendung der Adjektive) auf. Während im ersten Kriegs­jahr neben der Verspottung der Türken und der Lobpreisung Josephs II. („Wie herrlich wird sich Josephs Reich durch Gottes Macht verbreiten, es wird ihn auch sein starker Arm in jeder Schlacht begleiten. “)93 vor allem die Prinz-Eugen-Tradition herhalten mußte, („Der Prinz Eugenius 87 Z. B. Allgemeine Deutsche Bibliothek. Bd. 93/2, 1790, S. 591 £; Der deutsche Zuschauer. Bd. VII/21, 1788, S. 326-336 (direkte und referierte Zitate). 88 Oberdeutsche allgemeine Litteraturzeitung vom September 1788, S. 1752. 89 Ebenda, vom 30. November 1789, S. 996 f. (Zitat S. 997). 90 Schubart, Christian Friedrich Daniel: Gang des Türkenkriegs. In: Gesammelte Schriften und Schicksa­le. Stuttgart 1840, 8. Bd., S. 163; in ähnlicher Weise charakterisierte auch Lorenz Hübner in Salzburg im Nachhinein diese Schrift: „Der Ton wäre des kühnsten Engländers nicht unwürdig gewesen ..." (Hübner, L(orenz): Lebensgeschichte Josephs des Zweyten, Kaisers der Deutschen, oder Rosen auf des­sen Grab. Salzburg o. J., 2. Bd., S. 481). 91 Vgl. z. B. die Nennung als „Christenfeind“ in den Kriegsliedem eines österreichischen Husaren und Ka­noniers bei Eröflhung des zweiten Feldzugs gegen die Türken. In: Özyrt, Senol: Die Türkenlieder und das Türkenbild in der deutschen Volksüberlieferung vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. München 1972 (Motive. Freiburger Folkloristische Forschungen, Bd. 4), S. 387-389, Zitat S. 387; Vocelka, Karl: Die Osmanen in der Propaganda der frühen Neuzeit (mit besonderer Berücksichtigung Rudolfs II.). In: Mitteilungen Jg. 2. Wien 1979. Bulgarisches Forschungsinstitut in Österreich. Verein „Freunde des Palais Wittgenstein“ Bd. 1, S. 45-58, besonders S. 48. 92 „Drei Soldatenlieder. Auf das Gerücht vom Türkenkriege zu Anfang 1783“, einige Strophen zit. in: Helene Patrias: Die Türkenlieder im Volkslied. Diss. Wien 1947, S. 143. 93 Kriegslied(1788), In: Özyrt: Türkenlieder, S. 379, 11. Strophe. 74

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