Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 45. (1997)
HÖDL, Sabine: Eine Suche nach jüdischen Zeugnissen in einer Zeit ohne Juden. Zur Geschichte der Juden in Niederösterreich von 1420 bis 1555
Sabine Hödl rigkeit melden, wenn sie vorhatten, in oder vor der Stadt länger als eine Nacht zu bleiben, um Geschäften oder Rechtsangelegenheiten nachzugehen. Den Juden wurde eine „Aufenthaltsgenehmigung“ für eine gewisse Zeit erteilt, in der schriftlich die Angelegenheiten, zu deren Erledigung sie nach Wien gekommen waren, festgehalten wurden. Es war ihnen verboten, in Wien oder den Vorstädten Handel, Gewerbe oder Wechselgeschäfte zu betreiben, außerdem durften sie nur in bestimmten Häusern Herberge beziehen. Dieselben Bestimmungen galten auch für ausländische Juden, die nicht zum Kammergut Ferdinands I. gehörten37. Das 1536 genannte jüdisches Zeichen wurde durch ein Generalmandat vom 1. August 1551 normiert. Hierbei handelte es sich wiederum um eine Kleiderordnung bzw. Kenntlichmachungsverpflichtung, die für Österreich ob und unter der Enns, Steiermark, Kärnten und Krain galt. Das Mandat wurde auf Grund von anhaltenden Berichten über die Juden, die mit ihren hohen Zinsen und Wucherverträgen den christlichen Untertanen Schaden und Nachteil brächten und den christlichen Glauben schmähten und verachteten, erlassen. Dies würde nicht passieren, wenn die Juden durch ein jüdisches Zeichen und ihre Kleidung erkennbar wären. Deshalb befahl der Landesfürst, daß Juden - unabhängig von allen Statuten, Ordnungen, Satzungen, Exemtionen und Freiheiten, die sie innehätten - zukünftig an ihrer Kleidung auf der linken Brustseite einen gelben ring, hiebey verzeichenter runde unnd breitte des zirckhels und nicht schmeler oder kleiner tragen müßten. Würde ein Jude ohne diese Zeichen angetroffen, so sollte ihm bei den beiden ersten Malen die Kleidung und das, was er bei und an sich trug, genommen und davon der halbe Teil dem Anzeiger und der andere der Obrigkeit oder dem Gericht, dem der Jude gemeldet worden war, gegeben werden. Beim dritten Mal aber sollte er gemeinsam mit seiner Frau und seinen Kindern auf ewige Zeiten des Landes verwiesen werden. Doch da es mit Gefahr verbunden war, überall als Jude erkennbar zu sein, mußte bei Reisen über Land das Zeichen nicht getragen, sondern erst in Städten, Märkten und Dörfern wieder angelegt werden38. Das Mandat wurde auch in den Ländern der böhmischen Krone Druck bei Pribram: Urkunden und Akten (wie Anm. 3), S. 1-2, Nr. 1. Dazu auch in der Einleitung ebenda, S. XXII1-XXIV, weiters Gold: Geschichte der Juden in Wien (wie Anm. 4), S. 15, Messing: Beiträge zur Geschichte der Juden (wie Anm. 3), S. 44, Schwarz: Geschichte der Juden in Wien (wie Anm. 3), S. 50 mit Anm. 6 und Tietze: Die Juden Wiens (wie Anm. 3), S. 46. Wertheimer: Die Juden in Österreich (wie Anm. 3), S. 110-114, gibt fiir 1528 eine Judenordnung an, die der von 1536 entspricht, jedoch noch einen Passus mit Bestimmungen über die Verlautbarung dieser Verordnung enthält. Pribram: Urkunden und Akten (wie Anm. 3), S. 3-4, Anm. 9, meint dazu: „Wahrscheinlich dauerten die Verhandlungen über die Art der Kundmachung acht Jahre und die Judenordnung wurde schließlich in Form eines Patents den Juden bekanntgegeben.“ Pribram übernimmt den fehlenden Passus ebenda nach Wertheimer. 38 HKA Wien, NÖ HA, Fasz. W 61/C 43, fol. 36r-37r (1551 August 1). Druck bei Pribram: Urkunden und Akten (wie Anm. 3), S. 10-12, Nr. 5 und kurze Erwähnung ebenda im Einleitungsteil, S. XXIV. Hierzu weiters Hruschka: Geschichte der Juden in Krems (wie Anm. 4), S. 122, Messing: Beiträge zur Geschichte der Juden (wie Anm. 3), S. 38-39, Scherer: Die Rechtsverhältnisse der Juden (wie Anm. 3), S. 450, Tietze: Die Juden Wiens (wie Anm. 3), S. 46-47 und Wertheimer: Die Juden in Österreich (wie Anm. 3), S. 117. 282