Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 45. (1997)

HÖDL, Sabine: Eine Suche nach jüdischen Zeugnissen in einer Zeit ohne Juden. Zur Geschichte der Juden in Niederösterreich von 1420 bis 1555

Sabine Hödl Papst Nikolaus V. die Bulle Romanus Pontifex (20. September 1451), die ihm eine Wiederaufnahme von Juden in seinen Ländern gestattete. In der Bulle wurde die Notwendigkeit von Juden für den Geldhandel hervorgehoben - pro necessitate vite Judeorum et comoditate Christianorum". Am 6. Jänner 1453 nahm Friedrich als Kaiser in eine Bestätigung aller Rechte und Freiheiten der Herzoge des Hauses Habsburg in Österreich, Steiermark, Kärnten und Krain auch eine Bestimmung über die Juden auf. Den Habsburgem wurde das Recht zugestanden, Juden in ihren Län­dern anzusiedeln und zu besteuern11 12. Jedoch kam es - wiederum abgesehen von ein paar wenigen privilegierten Juden - trotz der päpstlichen Bewilligung und der Be­stätigung des ius tenere iudeos für den Landesfürsten zu keiner neuerlichen jüdi­schen Ansiedlung in Niederösterreich. Wie Schwarz meint, war der Grund dafür einerseits die Erinnerung an die blutigen Verfolgungen von 1420/21, andererseits spielte die ablehnende Haltung der österreichischen Landstände und der Wiener Bürger eine entscheidende Rolle13. Friedrich III. behielt sich allerdings das Recht vor, Juden an seinen Hof kommen zu lassen. 1493 starb Friedrich III. und sein Sohn Maximilian I. (1493-1519) übernahm die Regierung. Nun hofften auch die steirischen und Kärntner Stände auf eine Vertrei­bung der Juden. Anfänglich wies der neue Herrscher die angebotenen Abschlagszah­lungen für den Verlust der Judensteuem noch zurück, doch kam es 1495/96 zu einer für die Juden verhängnisvollen Verknüpfung der Forderung nach ihrer Vertreibung mit einer ständischen Steuerbewilligung zur Türkenabwehr14. Nach langwierigen Verhandlungen wurde für die Steiermark eine Kompensationszahlung von 38 000 Pfünd Pfennigen, für Kärnten die im Vergleich geringe Summe von 4 000 Gulden rheinisch fixiert15. Im März 1496 stellte Maximilian I. die Ausweisungsurkunden aus. Als Begründung wurden althergebrachte Topoi zitiert, die immer dann zum Tragen kamen, wenn eine Rechtfertigung konkret nicht möglich war: Wir Maximilian (...) bekhennen, (...) als wir (...) in das regiment unser erblichen für- stenthumbe und lande Össterreich, Steyer, Khämdten unnd Crain gegangen seyn, uns zu mehrmahlen merklich unnd schwer unehr, lasier und schmach, so unser judischhait in denselben unsem furstenthumben und landen gesessen dem heilligen hochwürdigen sacrament zu vilmallen erzaigt, daß sie auch junge christliche künder jämmerlich gemar­11 Zitiert nach Schwarz: Geschichte der Juden in Wien (wie Anm. 3), S. 47. Ein Gesamtabdruck der Bulle bei Scherer: Die Rechtsverhältnisse der Juden (wie Anm. 3), S. 436-438, mit einer Übersetzung S. 424—425. Regest bei W i e n e r: Regesten zur Geschichte der Juden (wie Anm. 9), S. 249, Nr. 233. 12 Zitiert nach Dauber: Die Juden in Österreich (wie Anm. 3), S. 135 und Scherer: Die Rechtsverhält­nisse der Juden (wie Anm. 3), S. 426. Siehe weiters Wiener: Regesten zur Geschichte der Juden (wie Anm. 9), S. 83, Nr. 33. 13 Pribram: Urkunden und Akten (wie Anm. 3), S. 6 mit Anm. 5 und Schwarz : Geschichte der Juden in Wien (wie Anm. 3), S. 47. 14 Lohrmann- Wadi- Wenninger: Die Entwicklung des Judenrechtes (wie Anm. 5), S. 35. 15 Vgl. zu den genauen Abläufen Herzog: Urkunden und Regesten (wie Anm. 3), S. XXVI-XXXII, Rosenberg: Beiträge zur Geschichte der Juden (wie Anm. 3), S. 6-7, Scherer: Die Rechtsverhält­nisse der Juden (wie Anm. 3), S. 492-499 und Wadi, Wilhelm: Die Geschichte der Juden in Kärnten im Mittelalter. Mit einem Ausblick bis zum Jahre 1867. Klagenfiirt 2., erw. Aufl. 1992 (Das Kärntner Lan­desarchiv 9), S. 27-28. 276

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