Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 45. (1997)
BRAUN, Gerd: Schloß Ambras als Sommerresidenz des Erzherzogs Carl Ludwig
Gerd Braun Erzherzog Carl Ludwig wird auch die Gelegenheit genutzt haben, seinen Bruder mit den Plänen bekanntzumachen, denn Mitte August teilte das Obersthofmeisteramt mit, die „Anträge des Architekten Ludwig Förster in betreff der zu Ambras vorzunehmenden Bauten sind mir von Ew. Maj. mit dem gnäd. Befehle übergeben worden, meine u[nter]t[änige] Ansicht darüber auszusprechen“. In architektonischer Hinsicht wählte Förster nach Auffassung des Obersthofmeisters „in Ermangelung eines vorhandenen Styls, den Ausweg, für die von ihm projektierten Zubauten einen Styl selbst zu wählen, ohne sich an den Charakter des alten Schlosses zu binden. ...“. Ob es ihm dabei gelungen sei, ein harmonisches Ganzes zu erzielen, muß bei einer Vergleichung der alten und zukünftigen Ansichten des Schlosses wohl in Zweifel gezogen werden. Andererseits ist es aber auch die Frage, ob die Sache gewänne, wenn man für die neuen Zubauten das alte, zwar historisch interessante, aber unschöne Schloß zum Muster nähme. In baulicher Hinsicht sei das Projekt wegen der geplanten Fensterflllle und flachen Dächer bedenklich. Das erzherzogliche Appartement im geplanten Vorschloß reiche nicht aus. Unberücksichtigt ist die mit der geplanten Vermählung des Erzherzogs notwendig werdende Vermehrung der Räume. Außerdem käme der Spanische Saal für die Ambraser Sammlung nicht in Betracht. Durch die erwartete Änderung im Hausstand des Erzherzogs verursacht müßte nach Meinung des Fürsten Liechtenstein das erste und dritte Geschoß im Hochschloß ebenfalls hergerichtet werden. Insgesamt würden die von Förster nur sehr ungenau ermittelten Kosten noch einmal um ca. 55 000 Gulden steigen. Da der Erzherzog die Baudirektion nicht mit der Bauleitung betrauen möchte, müßte diese von Förster übernommen werden31. Das Projekt wurde auch dem Schloßhauptmann Lang vorgelegt, dessen Urteil, wie man erwarten kann, wenig schmeichelhaft ausfiel: Die projektierten Fassaden, welche mehr im italienischen Geschmacke, als in dem vorherrschenden Renaissance-Style des um das Jahr 1570 erbauten Hochschlosses Ambras gehalten sind, stehen im Style und Charakter weder untereinander, noch überhaupt mit dem Hochschloß im Einklänge. Die laut Plan beantragten Ecktürme und der mittlere Flaggenturm, sowie die kandierten (!) Zinnen sind störend und nicht geeignet, die Einheit in dem Renaissance-Charakter des Hochschlosses herzustellen. Auch die bauliche Durchbildung der Fenster und Dächer träfe den Charakter der Renaissance nicht und ließ sich auch mit dem rauhen Klima Tirols nicht vereinbaren. Der Begriff „kaneliert“ bezieht sich auf „Crenelierung“, was soviel wie Zinnenreihung heißt. Der Erzherzog hatte sich am 6. September mit Margaretha, Prinzessin von Sachsen, verlobt. Lang stellte seine Kritik auf die veränderte Situation ab. Nicht nur, daß die Gemächer des Vorschlosses „wenig Bequemlichkeit und Komfort zur Bewohnung für einen höchsten Herrn bieten“, die „Wohn- und Empfangs-Lokalitäten“ sind „weder für das dermalige Bedürfnis des durchlauchtigsten Erzherzogs noch weniger für eine künftige durchlauchtigste Frau und eine höchste Familie zureichend und geeignet, und dies umso weniger als nach dem vorliegenden Projekte die reichen Gemächer und vielen Lokalitäten im alten Hochschlosse künftig für die höchste Herrschaft nicht benutzt werden sollen“. Auch die Kostenanschläge stellte Lang in HHStA Wien, OMeA, Rubrik 81/2, Jg. 1856 vom 16. August 1856. 94