Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 45. (1997)

BRAUN, Gerd: Schloß Ambras als Sommerresidenz des Erzherzogs Carl Ludwig

Schloß Ambras als Sommerresidenz des Erzherzogs Carl Ludwig Frage. Die beantragte Bausumme von 250 000 Gulden sei unzureichend, so daß „ein weit höherer, ja leicht der doppelte Kostenaufwand für die plangemäß“ durchgeführ- ten Baumaßnahmen erforderlich sein dürfte32. In Abwesenheit des Erzherzogs - er hatte am 4. November in Dresden geheiratet und traf erst am 11. November mit seiner Frau in Innsbruck ein - wandte sich das Statthaltereipräsidium an Liechten­stein und meldete, daß die Bauherstellungen zur Bewohnbarmachung des Schlosses für den Erzherzog beendet seien, gemeint war damit das Bauprogramm, welches von der Baudirektion betreut wurde. Es wurde um die Bereitstellung weiterer Mittel für die vorgezogenen Arbeiten an den Sammlungsräumen gebeten33. Mit der Freigabe des Geldes endeten die Baumaßnahmen im Jahr 1856. (Abb. 2) Im März des nächsten Jahres wendete sich Carl Ludwig an den Konservator der Zentralkommission für Erforschung und Erhaltung der Bau- und Kunstdenkmale in Tirol, Franz Graf von Enzenberg, mit dem Ersuchen, ein Gutachten über den Plan abzugeben, ob gegen die Errichtung eines Ganges im Innenhof von Ambras zur Schonung der Bilder Bedenken beständen34. Eilfertig antwortete drei Tage später Enzenberg, daß die Gemälde a) in einer so kalten traurigen blauschwaizen Tinte gehalten sind, die dem inneren oh­nehin etwas beengten Schloßraume ein noch mehr verkleinerndes, lichtraubendes un­fröhliches Ansehen aufzwingt, und b) daß sie auf den Besucher statt des wohltätigen Eindruckes der Ruhe, vielmehr den der größten Unruhe in Folge allzu greller Farbenge­gensätze machen. Graf Enzenberg glaubte sich daher nach dieser Begründung ohne Bedenken für eine Entfernung der Bilder im Hofraum aussprechen zu müssen, da „der Gewinn, welcher dem Schlosse durch Anbringung stylgemäßer Gänge“ erwächst „in gar kei­nem Verhältnisse zu dem erwähnten Verluste stünde“. Und zur Vermeidung der dem Mittelalter fremden Symmetrie empfahl er eine unregelmäßige Anordnung der Gän­ge, verteilt auf die Stockwerke. „So könnte ein hinreichender Teil der Fres­ken ... noch sehr zweckmäßig und dem mittelalterlichen Gewände des Schlosses forderlich stehen bleiben und dazu dienen, alle Zwecke endlich am natürlichsten zu vereinen“35. Daß es sich bei den geplanten Gängen um leichte Gußeisenkonstruktio­nen aus industrieller Produktion handelte, war dem Grafen vermutlich unbekannt. Leicht ungeduldig geworden, wendete sich der Erzherzog nun an den Fürsten Liechtenstein, daß „bei dem Umstande, daß die [sehnlichst erwartete allerhöchste] Genehmigung des von dem Professor Förster verfaßten Projektes“ noch nicht erfolgt 32 HHStA Wien, OMeA, Rubrik 81/2, 1856 vom 5. September 1856; „Kaneliert“ wird wohl „kreneliert“ heißen. 33 HHStA Wien, OMeA, Rubrik 81/2, Jg. 1856 vom 8. November 1856. Die Arbeiten an den Schatzkam­merlokalitäten wurden im Juli auf Anordnung von Förster eingestellt. Ende August hatte die Baudirektion die Herstellungsarbeiten für den Sommeraufenthalt des Erzherzogs beendet. Die Baukosten betrugen fast 51 000 Gulden (TLA Innsbruck, Kunstsache III 8/9, 1856, Statthalterei 1856-1868, vom 12. Juni 1858). In dieser Zusammenstellung werden die ausfuhrenden Handwerker namentlich genannt. Vgl. Abb. 2. 34 TLA Innsbruck, Kunstsache III 8/5, 1857, Statthalterei 1856-1868 vom 6. März 1857. 35 Ebenda, Kunstsache III 8/5, 1857, Statthalterei 1856-1868 vom 9. März 1857. Das Gutachten doku­mentiert die Ahnungslosigkeit des Grafen Enzenberg in bezug auf die Einschätzung des Wertes der Re­naissance-Malerei, die er als „Mode“ abtut. 95

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