Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 44. (1996)
STRIMITZER, Birgit: Der k. k. Staatsrat Friedrich Freiherr Binder von Krieglstein, Freund und Sekretarius des Staatskanzlers Kaunitz. Ein Beitrag zur Klientelpolitik der maria-theresianischen Epoche
zwischen gedruckt vorliegenden Monographie, einleitend mit knappen Worten. Allerdings zeigt sich, daß der vorliegende Sachverhalt zumeist nicht in derart lapidare Formulierungen paßt. Die Kompliziertheit der gesamten Materie wird in Wolfdieter Bihls Vorwort sichtbar, einer nicht unwesentlich gekürzten Fassung des in seinem Buch zum Thema „Zur Kaukasuspolitik der Mittelmächte“ (Teil 1, Wien 1975) enthaltenen, ungewöhnlich inhaltsreichen Abschnitts über die Armenische Frage. Im Gegensatz zu Autoren wie Ulrich Trumpener hält Ohandjanian an einer maßgeblichen Schuld der Deutschen an den türkischen Armenierverfolgungen des Ersten Weltkrieges fest, wie sie kürzlich auch wieder ein türkischer Historiker bekräftigt hat. Es erscheint allerdings fragwürdig, wenn in diesem Zusammenhang selbst ein Schreiben des k. u. k. Generalkonsuls Nadamlenzki aus Adrianopel vom 10. 11. 1915 als Beweismittel dienen muß, in dem zwar eine - von einem ungenannten Gewährsmann erhaltene - entsprechende Information präsentiert wird, allerdings mit dem Zusatz, nach Überzeugung des Schreibers handle es sich um anti-deutsche Propaganda des jungtürkischen Komitees für Einheit und Fortschritt. Von solcherart rufschädigenden Gerüchten und Anschuldigungen blieb Österreich-Ungarn glücklicherweise verschont. Dies erleichterte es der Regierung in Wien zweifellos, auch angesichts der Ereignisse von 1915 an einer Politik weitestgehender Rücksichtnahme auf die nationalen Empfindlichkeiten der Türken, die als unerläßliche Bündnispartner galten, festzuhalten. Ziel der türkischen Politik in den Kriegsjahren war die Schaffung der Grundlage für einen starken, innerlich und äußerlich von jeglicher fremder Einflußnahme freien, islamisch geprägten türkischen Nationalstaat mit pantürkischen Ambitionen Die Berichte der österreich-ungarischen Beobachter in der Türkei spiegeln eine Mischung von Verständnis und Mißtrauen gegenüber den nationalen Bestrebungen der Armenier. Spätestens seit dem von Rußland herbeigeführten Reformplan für die sogenannten armenischen Provinzen des Osmani- schen Reiches vom Februar 1914 galten ihnen die Armenier allerdings, wie es an einer Stelle heißt, endgültig als „politische Kunden“ des Zarenreiches, das ihre unglückliche Situation für expansionistische Ziele in Kleinasien auszunutzen suchte. Ungeachtet der vorangegangenen Übergriffe auf Armenier, auf die Ohandjanian ausdrücklich hinweist, wird in den Berichten durchwegs der in seiner politischen Bedeutung unterschiedlich bewertete allgemeine Aufstand der Armenier von Van vom April 1915 - an einer Stelle als „Bartholomäusnacht“ der dortigen muslimischen Bevölkerung qualifiziert - als Auslöser für die von der türkischen Regierung kurz darauf eingeleiteten Massendeportationen und Hinrichtungen bezeichnet. Er verstärkte, zumindest aus der Ferne, den ohnehin schon bestehenden Verdacht einer weit verbreiteten anti-türkischen, sogar revolutionären Haltung unter den Armeniern. Der Gang der folgenden Ereignisse, vor allem Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 44/1996 - Rezensionen 458