Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 44. (1996)

STRIMITZER, Birgit: Der k. k. Staatsrat Friedrich Freiherr Binder von Krieglstein, Freund und Sekretarius des Staatskanzlers Kaunitz. Ein Beitrag zur Klientelpolitik der maria-theresianischen Epoche

Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 44/1996 - Rezensionen vernichtet und letztlich die rumänische Wirtschaft noch stärker auf den Export von Rohstoffen und den Import von Fertigwaren festgelegt. Somit ergibt sich als wohl wichtigstes Ergebnis der Studie, daß der gerade im Eisenbahnbau eine Bestätigung suchende Souveränitätsanspruch Rumäniens (demonstriert in der Gründung der Rumänischen Eisenbahngesellschaft 1871) dazu führte, daß die auf dem Berliner Kongreß schließlich de jure errungene Unabhängigkeit des Landes zu diesem Zeitpunkt schon de facto durch eine zu­nehmende Abhängigkeit von den Gläubigerländern, allen voran das Deutsche Reich und Rußland, ausgehöhlt war. Auf dem Höhepunkt dieser Krise, der mit dem Ausbruch des russisch­türkischen Krieges zusammenfiel, drohte Bismarck dem rumänischen Staat mit politischen Repressalien, falls die Ansprüche der deutschen Gläubiger nicht befriedigt würden. Die rumänische Regierung hatte also schwerwiegende außen­politische Entscheidungen vor dem Hintergrund eines faktischen Staatsbankrotts zu treffen. Die Darstellung dieser komplexen Vorgänge in Rumänien trägt zu­gleich ein weiterer bedeutender Aspekt der Studie - zur Erhellung der von der Forschung nach wie vor weitgehend vernachlässigten Politik Bismarcks gegen­über den Staaten Südosteuropas bei. Vom Beginn der Herrschaft des Hohenzollernfürsten Karl bis zur Unabhän­gigkeitserklärung war die Innenpolitik Rumäniens von der Entstehung eines politischen Systems bestimmt, in dem die wirtschaftlichen und sozialen Ver­hältnisse die Funktionsweise und praktisch-politische Handhabung der Institu­tionen bestimmten. Die Verfassungswirklichkeit, die aus diesem Prozeß hervor­ging, bedeutete für die Bauern, von einer Beteiligung an politischen Entschei­dungen, ja sogar vom Genuß der bürgerlichen Freiheiten und Menschenrechte, die die Verfassung formal garantierte, ausgeschlossen zu sein. Mit der Unabhängigkeitserklärung und dem Kriegseintritt auf der Seite Ruß­lands wurden in den Kammern die Gesetzesvorlagen zurückgestellt, die die Lage der rumänischen Bauern verbessern sollten. Da die Mobilmachung jedoch die aktivsten jungen Bauern von den Dörfern abzog, hatten Unabhängigkeitserklä­rung und Kriegseintritt andererseits wesentlichen Anteil an der zumindest vor­läufigen Erhaltung des sozialen Friedens. Die Erklärung der Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich erfolgte also in einem Augenblick, als die Abhängig­keit von den ausländischen Gläubigern einen vorläufigen Höhepunkt erreicht hatte. Den Gmnd für dieses Zusammentreffen zweier gegenläufiger Tendenzen sieht Maier wohl zu Recht in der engen Verbindung zwischen den nationalen Programmen, deren letztes Ziel die staatliche Souveränität war, und dem Bestre­ben, die Institutionen des Landes nach westlichen Vorbildern zu reformieren. Der Staatsapparat, den die rumänischen Politiker im Sinne der letzteren Ten­denz aufbauten, brachte finanzielle Belastungen mit sich, die das Land nicht tragen konnte. Formale Modernisierung und Selbständigkeit verursachten und verdeckten massive neue Abhängigkeiten. 384

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