Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 44. (1996)
AGSTNER, Rudolf: Das Palais Polowzow als k. u. k. Botschaft in Sankt Petersburg 1886–1914
Rudolf Agstner Palais, das „vollkommen der Würde und dem Ansehen eines Botschaftshotels entspricht und auch sämtliche übrigen nötigen Räumlichkeiten für Kanzleien und Dienerschaft in sich schließt 6. Mit 13. November 1886 vermietete Frau N. M. Polowzow in ihrem in St. Petersburg, Liteinaja (Stadtteil im vierten Bezirk) in der Sergejewskaja Straße gelegenen Haus Nr. 10 an die k. u. k. Botschaft eine Reihe von Wohnräumen, nebst einem Kellerraume zur Aufbewahrung der Weine, einem gewölbten gut verschlossenen Raum zur Aufbewahrung des Silbers, zwei Wagenremisen, einen Stall für 12 Pferde in zwei Abteilungen, einen Wasserbehälter zum Gebrauche beim Waschen der Equipagen, eine besondere Abteilung des Eiskellers, einer mit den übrigen Bewohnern des Hauses gemeinschaftlich zu benützenden Waschküche nebst Wasserleitung und Bassin zum Ausstellen der Wäsche und Rollkammer, endlich einen gedeckten verschließbaren Lagerraum für 120 Faden Holz und 100 Fuder Steinkohle7. Die Miete betrug 14.000 Rubel jährlich und endete am 12. November 1896. Das Palais umfaßte eine bebaute Fläche von 3.184,63 m2 und eine unbebaute Fläche von 1.611,29 m2. Das ehemals Butturlin’sche, später dem Grafen Peter Schuwalow und dann Frau Polowzow gehörige Palais war um 1850 vom russischen Architekten Harald Andrejewitsch Bosse8 im Louis XV Stil erbaut worden, um in einem gewissen Einklang mit dem gegenüber befindlichen Palais des Grafen Stroganow, des Schwagers von Herrn Butturlin, zu stehen, welches im Stil von Louis XVI erbaut war. Die Innendekoration machte auf Botschafter Wolkenstein durch die Mischung von Prunk und Geschmacklosigkeit einen peinlichen Eindruck. Zwischen 1886 und 1896 wurde der erste Stock durch Fürst und Fürstin Obolensky bewohnt. Da der Zustand der meisten Räume zu wünschen übrig ließ, machte sich Botschafter Franz Prinz Liechtenstein schon ein Jahr vor Ablauf des Mietvertrages Gedanken, „ob eine andere Wohnung gemietet, ein Haus gekauft oder gebaut werden soll. Fürst Youssoupow hat ein prunkvolles ... Palais mit großartigen Empfangsräumen zur Miete angetragen; für den Ankauf wurden mir das ehemals LavaFsche Palais, das Schuwalow’sche und KleinmicheFsche Haus genannt, aber direkt nur das ... der Witwe Vanderwies angeboten“9. III Es erscheint von Interesse, daß die kaiserlich russische Regierung schon 1891 das Palais des Herzogs von Nassau10 für ihre Botschaft in Wien erworben hatte. 6 HFIStA Wien, AR, Fach 6/68, St. Petersburg 20, ZI. 21.131/2 aus 1886, Bericht (Wolkenstein) Nr. LVII aus St. Petersburg vom 20. August 1886. 7 Faden ist ein Längenmaß aus der Seefahrt und mißt etwa 1,6 bis 1,9 Meter; Fuder ein Raum- und Hohlmaß, gebräuchlich vor allem als Wein- und Getreidemaß, und faßt ca. 2000 Liter. 8 Bosse (* 28. September 1812, ( ?) war Sohn eines Professors für Malerei und Gravur aus Deutschland. 9 HHStA Wien, AR, Fach 6/28, Palais St. Petersburg-1, Bericht (Liechtenstein) Nr. V-A-B aus St. Petersburg vom 15. Jänner 1895. 10 Adresse: Wien III., Reisnerstraße 47. Vgl. dazu HHStA Wien, AR, Fach 7/51, Rußland- Botschaflspalais. Das Flerzoglich Nassau’sche Palais wurde per Kaufvertrag vom 24. Mai/5. Juni 2