Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 44. (1996)
KALMÁR, János: Regierungsnormen Karl Habsburgs (Karl VI.) vor seiner Kaiserwahl im Jahr 1711
János Kalmár König Karl gibt in diesen Instruktionen eine Reihe von praktischen Hinweisen. Auf die Eifersucht der Minister muß ein besonderes Augenmerk gelegt werden, die Regentin solle Äquidistanz bewahren, keinen von ihnen zu oft und nicht öfters als andere rufen lassen, keinen unter ihnen öfter um Rat zu bitten als andere Berater. Für den Fall, daß sich einige unter den Ministern nützlicher als andere erweisen sollten und es opportun erscheine, ihre Meinung häufiger zu hören, wäre - mit Rücksicht auf die Gefahr von Eifersüchteleien - die beste Möglichkeit, deren Meinung durch Vermittlung des Freiherrn Rudolf Christian von Imhoff einholen zu lassen, der Gesandter des Großvaters von Elisabeth Christines sei und deshalb häufige Besuche bei der Königin unbedenklich wären. Für den Fall, daß die Mitglieder im Regierungsrat verschiedener Meinung wären und eine gemeinsame Lösung gefunden werden muß, soll die Gouverneurin vor allem auf jenen hören, der in der gegebenen Sache der kompetente Spezialist ist. In politischen Fragen wäre auf den kaiserlichen Gesandten Herzog Francisco Moles und Domingo de Aguirre, in militärischen Angelegenheiten auf den General Guido Graf Starhemberg zu hören. Steht in diesem Gremium ein wichtiges und schwer lösbares Problem zur Debatte, wobei die Meinungsverschiedenheiten im Zuge der Verhandlung nicht ausgeräumt werden können, so soll die Königin ihre Entscheidung aufschieben und - durch die Vermittlung des Sekretärs Vilana Perlas - die schriftliche Meinung von Fachleuten einholen lassen. Danach wird eine Entscheidung einfacher zu finden sein. Staatsrat soll nach wie vor zweimal, wenn aber die angehäuften Probleme es verlangen, sogar dreimal in der Woche gehalten werden. Da die wichtigste Bedingung, welche eine Regierung wirksam (in der Formulierung des Königs „gut“ und „groß“) macht, die Diskretion ist, muß von den königlichen Räten strengste Diskretion verlangt und eingehalten werden. Wenn jemand die Verschwiegenheit brechen würde, soll dies exemplarisch bestraft werden. Karl erachtete auch die „Popularität“ wichtig für den Herrscher. In diesem Zusammenhang schlug er seiner Frau vor, sich so oft wie möglich sehen lassen, wenigstens zu Mittag in der „Öffentlichkeit“ zu tafeln und vor allem an Feiertagen mehr Personen in ihr Speisezimmer zuzulassen als an allen anderen Tagen. Wäre dieser Vorschlag nicht nach dem Geschmack der Königin, so soll sie wenigstens zu Sonn-, Pfingst- und anderen Feiertagen im Vorzimmer vor großem Publikum zu Tische sitzen. Ziel soll sein, mit „guten Manieren“ der Königin die Sympathie der Bevölkerung, vor allem die der Städte und der Gemeinde - wahrscheinlich weil diese beiden am meisten zählten - zu gewinnen. Im Interesse der Popularität darf nicht wahllos und unbedacht gespendet werden. Der König gibt zwar zu, daß es in Spanien viele, sehr viele Bedürftige gebe, die in Kriegszeiten Gesundheit und Vermögen verloren haben, aber gerade deswegen sei es unmöglich allen zu helfen. Ungleich oder wahllos verteilte Begünstigungen könnten zu Klagen fuhren. Es gebe so viel arme Castiglianische, arragonische und andere Leuth, [sodaß] man hart allen nach ihren Verlangen wird beystehen können, und diese dich alleweil plagen werden um ajuta, mit welchen sie 142