Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 44. (1996)
HEILINGSETZER, Georg: Die österreichische Diplomatie im Jahre 1806. Die Grafen Stadion, Starhemberg und Metternich in ihrer Stellung zum Ende des Alten Reiches
DIE ÖSTERREICHISCHE DIPLOMATIE IM JAHRE 1806. Die Grafen Stadion, Starhemberg und Metternich in ihrer Stellung zum Ende des Alten Reiches” von Georg Heilingsetzer In den Augusttagen des Jahres 1806 schrieb die verwitwete Fürstin Eleonore Liechtenstein, eine geborene Öttingen-Spielberg, an ihre Tochter Josephine Gräfin Harrach unter anderem folgendes': Das Geschick des Deutschen Reiches ist entschieden, das Reich Karls des Großen mit seiner alten Verfassung und seinen Rechten und Prinzipien ist zerstört; der Rheinbund stellt Frankreich 60.000 Mann zur Verfügung, und Napoleon will künftig die Könige und Fürsten Deutschlands um sich versammeln. Sie haben alle großen und kleinen Güter einverleibt. Die Souveränität bleibt nur den zwei Linien Salm, zwei Linien Hohenzollem, den Isenburg, Leyen und Liechtenstein; alle anderen verlieren ihre Selbständigkeit. Die Verwirrung der Ideen ist so groß, daß man nicht mehr Böses und Gutes unterscheidet, die Schande mit Ehre verwechselt; die sogenannte Freiheit verdirbt die Kinder in der Wiege und die allgemeine Gleichheit drückt die Gefühle herab, die man dem Adel einflössen soll. Und weiter heißt es: Es gibt kein Römisches Kaiserreich mehr; jedes Band mit Deutschland ist gelöst, der Kaiser entthront und gezwungen, die große alte Würde seines Hauses niederzulegen, welche ihm ein solches Ansehen und Übergewicht gegeben hat. Ich bin wahrhaft schmerzlich berührt. Niemand weiß, wohin wir noch kommen werden, denn wir stehen auf einer abschüssigen Höhe, auf der wir uns nicht halten können. Mein Gott, mit welcher Leichtigkeit entäußert sich der Kaiser alles dessen was er besitzt. Wohl mußten die Lasten und Verlegenheiten der Kaiserwürde fühlbar werden, aber wäre es denn nicht möglich gewesen, sich mit denen zu verständigen, welche noch nicht in diese elende Konföderation eingetreten sind; ich möchte wissen, ob er die Männer, welche die deutschen Angelegenheiten verstehen, zu Rathe gezogen hat; wäre es nicht besser gewesen, früher abzudanken, als diese Katastrophe abzuwarten? Soweit die Fürstin Liechtenstein. Aber auch andere gleichzeitige Stimmen aus den Kreisen des österreichischen Hochadels, von Männern, die den Entscheidungsträgern näher standen, sollen angeführt werden. So können zwei Staatsmänner zitiert werden, die aus der Glanzzeit Maria Theresias in die Epoche des Kaisers Franz hinüberleiten, nämlich der Obersthofmeister Fürst Georg Adam Starhemberg (1724-1807), der seinerzeit maßgeblich am berühmten „Renversement des alliances“ von 1756 beteiligt war und auch in den inneren Angelegenheiten der Monarchie Verwendung gefunden hatte, und Graf Karl Zinzendorf (1739-1813), Kommandeur der Ballei Österreich des Deutschen Ordens, der vor allem als Finanzmann große Kenntnisse hatte. Fürst StarhemGrundlage des Textes ist die überarbeitete Version eines Vortrages, gehalten anläßlich des 2. deutsch-österreichischen Historikergespräches in Wolfenbüttel am 5. Mai 1992. 1 Wolf, Adam: Fürstin Eleonore Liechtenstein 1745-1812. Wien 1875, S. 288 f. (Nach Briefen der Fürstin an Josefine Gräfin Harrach vom 1., 11. und 12. August 1806). 123