Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 44. (1996)

HEILINGSETZER, Georg: Die österreichische Diplomatie im Jahre 1806. Die Grafen Stadion, Starhemberg und Metternich in ihrer Stellung zum Ende des Alten Reiches

Georg Heilingsetzer berg hatte seinem als Gesandten in London weilenden Sohn Ludwig schon im Mai geschrieben, daß der Zustand der Monarchie äußerst bedrohlich sei. Wäre man seinen Ratschlägen gefolgt, wäre das nicht so, denn er und vielleicht Fürst Trauttmansdorff seien die einzigen gewesen, die seit 1793 ständig gewarnt hät­ten, d. h. für einen Ausgleich mit Frankreich eingetreten seien. Dem gegenwär­tigen Minister, dem Grafen Stadion, scheine diese Wahrheit bewußt zu sein. Und am 13. August meinte der 82jährige Fürst zu seinem Sohn, er nehme an, daß dieser das Patent schon kenne, in dem die Abdankung der Würde eines Römischen Kaisers ausgesprochen sei. Der Entschluß, der niemanden erstaunen könne, sei weise und gerade rechtzeitig erfolgt und obwohl er selbst ihn nicht beeinflußt habe, könne er ihn von seiner Seite nur begrüßen1 2 3. Nicht ganz so nüchtern fiel das Urteil des Grafen Zinzendorf aus, der wie fast an jedem Tage auch am 8. August Eintragungen in sein Tagebuch machte. Es heißt hier, daß das Reich nun wie Polen aufgeteilt worden sei. Dies sei eine der zahlreichen Folgen jener fatalen Koalition, des unsinnigen Krieges, kurz jener zahllosen politischen und militärischen Fehler, die seit 1791 begangen wurden, als man begann, sich in jene unglückselige Revolution einzumischen, die ohne diese Einmischung von selbst zu Ende gegangen wäre. Leichtsinnige Ratgeber hatten von Eroberungen geträumt und dies einem jungen Fürsten eingeredet. Die Eroberungen sehe man jetzt, die sich ms Gegenteil verkehrt hätten. Wenige Tage später erörterte der Graf die Nachteile, die sich für die Stadt Wien ergeben könnten, wenn nach den Italienern und Tirolern nun auch die Deutschen die Stadt verlassen würden, wobei er an den Reichshofrat und die zahlreichen Agenten der deutschen Fürsten am Kaiserhof dachte \ Diese Urteile zeigen doch bei aller Divergenz, daß das Ereignis der Niederle­gung der Kaiserkrone auch mit größeren Zusammenhängen in Verbindung ge­bracht wurde. Ist es bei der Fürstin Liechtenstein das Gefühl, daß etwas Großes und Bedeutendes dahingegangen sei, die Verbindung mit den Ideen der Franzö­sischen Revolution, die indirekt angesprochen werden, so ist bei Fürst Starhem­berg und dem Grafen Zinzendorf der Verzicht auf die Kaiserkrone eine Folge der verfehlten Außenpolitik der Monarchie, die einen Konfrontationskurs mit dem revolutionären und napoleonischen Frankreich eingeschlagen hatte. Ob­wohl es in der Habsburgermonarchie keine regelrechten Parteien innerhalb der Führungsschichte gab, zeigt sich doch, daß die beiden Staatsmänner in Opposi­tion zur offensiven Außenpolitik gegenüber Frankreich gestanden waren, die zunächst Freiherr von Thugut, dem der Kaiser vertraut hatte, bestimmte. 1 Oberösterreichisches Landesarchiv [OÖLA] Linz, Starhemberg Archiv (Bestand Riedegg), Sch. 27: Briefe des Fürsten Georg Adam Starhemberg an seinen Sohn, 1806 Mai 3 (Nr. 19) und 1806 August 13 (Nr. 40). 3 Haus-, Hof- und Staatsarchiv [HHStA] Wien, Nachlaß Zinzendorf, Tagebuch 45/46 (1806): Eintra­gungen vom 8. und 13. August 1806; hier zitiert nach Wertheimer, Eduard: Geschichte Öster­reichs und Ungarns im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts. Bd. 2. Leipzig 1890, S. 131 und S. 133 (Dort als Tagebuch eines Ungenannten!). 124

Next

/
Thumbnails
Contents