Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 43. (1993) - Festschrift für Rudolf Neck zum 65. Geburtstag

BROUCEK, Peter: Über den Schriftennachlaß des Feldmarschalls Franz Conrad von Hötzendorf im Kriegsarchiv

Über den Schriftennachlaß des Feldmarschalls Franz Conrad von Hötzendorf nach 1918 in neun Notizbüchern zusammengefaßten Aphorismen und Erinnerungsfragmente auszuwerten, sowohl zur Erhöhung des Anse­hens des Feldmarschalls als auch zur Verbesserung ihrer materiellen Situation. Sie erlaubte die auszugsweise Abschrift der Aphorismen­bände durch das Kriegsarchiv, wollte aber eine Veröffentlichung nicht gestatten. Erst nach dem Krieg vertraute sie dem ehemaligen Chef des Luftfahrtarchivs Oberst a.D. Jaromir Diakow die Bändchen und auch einzelne Briefe für eine Teilveröffenlichtung an - kurz bevor dieser 1948 von den Sowjets nach Kußland verschleppt wurde. Er kehrte erst 1956 wieder zurück und wollte nach seinem Tode diese Materialien dem Kriegsarchiv überlassen. Diakows Testament war jedoch so miß­verständlich abgefaßt, daß die Universalerbin die Ausfolgung jener Pri­vatschriften an das Kriegsarchiv erfolgreich anfechten und diese sodann veräußern konnte. Zwar konnten dann 1975 mehrere dieser Skizzen-, Notizen- und Apho­rismenbücher aus dem Antiquariatshandel erworben werden, weitere aber blieben seither verschollen20). Allerdings gelang es dann endlich 1976 mit den Stiefkindern Conrads, den Kindern aus der ersten ge­schiedenen Ehe von Gina Conrad, in Verbindung zu treten. Herr Kurt Reininghaus erlaubte in den Jahren 1976 bis 1978 die Kopierung von in seinem Besitz befindlichen Briefen, Dienstschriften und Akten ab 1915 sowie ein Tagebuch des Flügeladjutanten Conrads aus der zweiten Jah­reshälfte 1914, jedoch nicht irgendwelcher Privatkorrespondenzen21). Diese gab er vielmehr zum Teil an seine Schwester weiter, zum Teil er­klärte er, sie vernichten zu wollen. Für die Dienstschriften erwartete Kurt Reininghaus ein Angebot des Staatsarchivs, und als dieses 1977 zu gering ausfiel, beschloß er, dieses Schriftgut an die in Armut in Brasilien lebende Nachkommenschaft eines der Söhne Conrads zur Verwertung zu übersenden. Diese Absicht hat er noch vor seinem Tod auch durch­geführt. Danach gelang es einem Conrad-Enthusiasten und Bekannten einer Schwester Kurt Reininghaus’, Ministerialrat i.R. Ernst Putz, die Erlaub­nis zur Abschriftnahme eines Teils der Privatbriefe zu erlangen, soweit in diesen militärisch-politische Angelegenheiten erörtert wurden. Aller­dings übte auch Putz bei seiner Abschreibtätigkeit eine Art Selbstzensur hinsichtlich des Rufes des Feldmarschalls. Er plante, wie manche vor ihm, die Herausgabe eines Gemisches an „Aphorismen“ und Briefen, doch auch er erlebte die Verwirklichung seiner Absichten nicht. Erst in 20) Kriegsarchiv, Kanzleiregistratur, ZI. 22364/73. 21) Kriegsarchiv, Kanzleiregistratur, ZI. 40920/77, 44793/77, 31830/78. 163

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