Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 42. (1992)
AGSTNER, Rudolf: Von der österreichisch-ungarischen Botschaft zum österreichischen Generalkonsulat Berlin. Zur Geschichte der k. u. k. bzw. österreichischen Vertretungsbehörden in der deutschen Hauptstadt 1871–1991
die 3fache Brotkarte. Der Chef hat sogar unbegrenzten Anspruch auf Marken - wovon ich natürlich keinen Gebrauch mache ... “169). Aus einem Brief vom 5. Dezember 1918 ist der Tagesablauf des Gesandten in Berlin abzulesen: „Aufstehen 7-1/2 8. Dann Frühstück und Lesen (von Dr.Singer hergerichtete Zeitungen) bis 8 3/4. Dann meistens Empfang von Journalisten, Interviews etc. bis 9 3/4. Von 10-12 Erledigung von verschiedenem auf der Gesandtschaft. Nachher noch Besuche bei verschiedenen Ämtern. 1 1/2 Mittagessen in der „Deutschen Gesellschaft 1914“170), meist mit Rendezvous mit dem einen oder dem anderen Herren mit dem ich zu reden habe, verbunden. 4 Uhr wieder Gesandtschaft; daselbst bis 5 oder 6, dann irgendwelche Sitzungen oder dergleichen. In den nächsten Tagen werde ich wohl noch mit offiziellen Besuchen zu tun haben. Ferner, da Prinz Hohenlohe heute (S.Dezember 1918) abreist, mit der Einteilung der Gesandtschaft und meiner Wohnung im Botschaftspalais. Die Agitation in der Presse für Deutschösterreich hat eingesetzt und geht hoffentlich rüstig weiter... “171 172). In einem Brief vom 10. Dezember 1918 teilt Hartmann seiner Gattin mit: „ ... Die Wohnung wird hoffentlich am 20. oder 21. fertig und wohnlich sein. Bis dahin bleibe ich im Kaiserhof, dann Botschaftspalais Moltkestraße 3 ... An Kohlen und Lebensmitteln wird keine Not sein ... Ich würde zu Weihnachten nicht fortkommen, da ich mich gewiß nicht 8 Tage freimachen kann. Heute und gestern war ich den ganzen Tag in der Kommission zur Vorbereitung der Deutschen Verfassung ... der auch Max Weber angehört ... “,72)Hartmann setzt sich auch sehr für die ihm anvertrauten Mitarbeiter ein und zögert nicht, sich hierbei an Staatskanzler Dr. Renner zu wenden. So schreibt er ihm am 25. Februar 1920, „daß die Zuschrift vom Staatsamt für Äußeres ... betreffend Bezüge der Beamten (hat) hier unter meinen Beamten mehr als schmerzliches Erstaunen ausgelöst. Es ergibt sich nämlich ... , daß in der Tat die Auslandsbeamten, die sich in Wien selbst nicht wehren können, schlechter gestellt werden als die Inlandsbeamten, indem ihnen die im Monat Dezember 1919 den Zivilstaatsangestellten flüssig gemachte einmalige, nicht wiederkehrende Zuwendung von 500 bzw. 750 Kronen nicht bewilligt wird ... geradezu unglaublich erschien, daß die Auslandsbeamten, an die ja doch, insbesondere bei Gesandtschaften, weit höhere Anforderungen gestellt werden als an die Inlandsbeamten, benachteiligt werden würden ... Zusammenhänge mit der übrigen Bevölkerung, welche z.B. in Wien das Leben einigermaßen erleichtern können, existieren hier natürlich nicht. Es ist also kein Wunder, daß nicht nur die Beamten meiner Gesandtschaft, sondern auch die Beamten der verschiedenen Konsulate, die ihr unterstellt sind, sich so lebhaft beschweren, daß sogar das Wort „Streik“ schon gefallen ist... im allgemeinen das Prinzip, daß die Auslandsbeamten mit Rücksicht auf ihre schweren Lasten nicht schlechter gestellt sein dürfen, als die Inlandsbeamten, sonst volle Giltigkeit hat. Die Herren hier haben nicht zu Unrecht das Gefühl, daß man über sie hinweggeht, weil sie sich eben nicht an Ort und Stelle zur Geltung bringen können“173). Rudolf Agstner 169) HHStA, Nachlaß Hartmann, ebenda 170) Dieser Verein mit Sitz Wilhelmstraße 67 hatte Hartmann am 5. Dezember 1918 zum Eintritt eingeladen, Nachlaß Hartmann, Karton 4, Korr.A-K 171) HHStA, Nachlaß Hartmann, ebenda 172) HHStA, Nachlaß Hartmann, ebenda 173) HHStA, Nachlaß Hartmann, Karton 4, Korrespondenzen 314