Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 42. (1992)

AGSTNER, Rudolf: Von der österreichisch-ungarischen Botschaft zum österreichischen Generalkonsulat Berlin. Zur Geschichte der k. u. k. bzw. österreichischen Vertretungsbehörden in der deutschen Hauptstadt 1871–1991

November 1918 der Mietvertrag für die Büroräume der Paßstelle um 8500 Mark Jahresmiete bis 1. April 1920 verlängert worden war, wurde die Paßstelle mit Weisung vom 15.11. 1918 per 15. Dezember 1918 auf­gelöst und alle Agenden in Paßvisaangelegenheiten vom k.u.k. österr.- ungar. Generalkonsulat in der Reithstraße 19, alle anderen Agenden von der k.u.k. Botschaft übernommen119). Dementsprechend wurde die Paßstelle am 22. November 1918 angewie­sen, „da spätere Verwendung der Büroräume der Paßstelle zu ungewiß ... zunächst Aftervermietung zu versuchen ... “12°). Am 15. Dezember 1918 übernahm die litauische Gesandtschaft in Berlin, vertreten durch Legationsrat Dr. Jnozas Puryckis die Bürolokalitäten als Aftermieter zu den ursprünglichen Rontraktsbedingungen, desgleichen das Amtsin­ventar um 10.000 Mark, „nachdem das ungar. Außenministerium nicht auf Lokalitäten der Paßstelle“ reflektierte121). Wie aus dem Geschäfts­bericht dieser Dienststelle vom 2.Dezember 1918 ersichtlich ist, hatte die Paßstelle zwischen 15. Mai und Ende November 1918 7800 Paßvi­saakten zu bearbeiten, davon im halben Mai 100, in den übrigen Mona­ten 1300-1600; im Oktober und November war ein Rückgang auf 850 bzw. 270 Akten zu verzeichnen. Die laufenden Rosten der Paßstelle für Gehälter, Gebühren einschließlich Büromiete und Ranzleierfordernisse beliefen sich auf 6500 Mark und konnten aus den laufenden Einnah­men an „Proventen und Telegrammpauschalgebühren (etwa 1/4 der ersteren)..nahezu gedeckt werden“122). Mit dem Zusammenbruch der Monarchie sollte der Geschäftsanfall der Paßstelle eine wesentliche Ausweitung erfahren, wie sich der Gerent des liquidierenden k.u.k. Generalkonsulates in einem Bericht beklagt:. „... die Amtstätigkeit aber in letzter Zeit nicht nur keine Verminderung, sondern im Paßamte eine sprunghafte Steigerung erfahren hat, bin ich gezwungen ... durch neue Hilfskräfte zu ersetzen. Die gewaltige Zunahme ist hauptsächlich auf eine dieser Tage erlassene Verordnung des hiesigen Polizeipräsidiums zurückzuführen, wonach alle Aus­länder mit ordnungsgemäßen Pässen versehen sein müssen; da die heimkehrenden Militärpersonen, deren Zahl bisher zu 18.000 beträgt, Pässe überhaupt nicht besitzen, viele der übrigen der hier lebenden Staatsangehörigen die Erneuerung ihrer Ausweispa­piere in letzter Zeit vernachlässigt haben, findet gegenwärtig ein enormer Andrang bei diesem Generalkonsulate statt. Es werden allein im Paßamt derzeit täglich 400 bis 500 Personen abgefertigt. Hiezu kommt, daß gegenwärtig über die Linie Brest-Litowsk - Königsberg in zunehmender Zahl derzeit zu 80-100 täglich Kriegsgefangene aus Ruß­land durch Berlin kommen, hieramts die mannigfaltigsten Anliegen Vorbringen und mit Unterstützungen und Fahrscheinen zur Weiterreise versehen werden müssen. Eine Be­wältigung dieser bedeutenden Mehrarbeit ist mit dem ohnehin stark reduzierten Perso­Von der österreichisch-ungarischen Botschaft zum Österreichischen Generalkonsulat Berlin 119) HHStA, AR F 6, K 55, 6 Berlin 118, MdÄ 101.403/11 vom 15.11. 1918. 120) HHStA, AR F 6, K 53, 6 Berlin 118, MdÄ 104.928/2 1918 vom 22.11. 1918, f.19 121) HHStA, ebenda, f. 22 122) HHStA, AR F 6, K 53, 6 Berlin 118, Bericht P 64 vom 2.12. 1918, f.21 299

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