Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 42. (1992)

WURM, Heidrun: Entstehung und Aufhebung des osmanischen Generalkonsulates in Wien (1726–1732). Eine Relation Heinrich von Penklers aus dem Jahre 1761

Heidrun Wurm Seine Aufgaben bezögen sich eigentlich nur auf das Kommerzium, wie bei dem in den Kapitulationen beschriebenen Schahbender. Ihm, dem Großwesir, ginge es allerdings weniger darum, cÖmer Aga um der Kauf­leute willen in Wien zu haben, sondern, damit der großen Freund­schaft51) zwischen den beiden Reichen Ehre erwiesen und die Hoch­achtung der Pforte gegenüber dem kaiserlichen Hof vor aller Welt auf besondere, nie zuvor praktizierte Weise zum Ausdruck gebracht werde. Dabei blieb es; nachdem sich cÖmer Aga voll in den Stand eines gewöhn­lichen außerordentlichen Gesandten gebracht hatte, brach er im März 1726 mit einem Gefolge von mehr als hundert sehr gut ausgestatteten Personen von Konstantinopel aus auf52). Mit dabei waren auch zwei reiche Griechen, die ihn finanziell unterstützt hatten; einem hatte er das Vizekonsulat auf Sizilien versprochen, dem anderen das in Triest53). Sein Dolmetscher war ein gewisser cOsmän Efendi, der früher einige Jahre in Deutschland in Gefangenschaft gelebt und dort gut deutsch sprechen und schreiben gelernt hatte — ein würdiger und schon bejahr­ter Mann, der in der Zeit von 1720 bis 1726 in Konstantinopel mein Lehrer in den orientalischen Sprachen gewesen war und mit mir in beständiger vertraulicher Verbindung blieb54). 51) Freundschaft (türk, dostluq), hier im politischen Sinne friedlicher zwischenstaat­licher Beziehungen. 52) Der Aufbruch von Konstantinopel fand am Montag, den 10. März 1726 statt, vgl. HHStA Türkei I 193 Konv. 2 (1726 März-April) Bericht Dirlings vom 17. März 1726 fol. 64. Der oben, Anm. 36, erwähnte und erst kurz vor dieser Reise, am 24. öumädä I 1138h. (28. Januar 1726) zu Papier gebrachte anonyme Bericht über die Gesandtschaftsreise des Großbotschafters Ibrahim Pasa von 1719-1720 dürfte von cÖmer Aga verfaßt worden sein. Er hebt sich von den üblichen osmanischen Gesandtschaftsberichten (sefäret- näme) u.a. dadurch ab, daß fast nur Reiseroute und Zeremoniell beschrieben werden. Vgl.a. Kraelitz Bericht 3 ff zu den Charakteristika der Quelle. 53) Sizilien war erst im Herbst 1719 von den kaiserlichen Truppen eingenommen worden. Die in diese Zeit datierenden Anfänge der griechischen Kaufmannskolonie in Triest, wo seit 1723 ein von Karl VI. ernannter „griechischer Konsul“ tätig war, zeigen, daß eine Nachprüfung der These von Findley Ottoman bureaucracy 127f, das moderne osmanische Konsularwesen sei aus einem „System“ der sogenannten „griechischen Konsuln oder Richter“ hervorgegangen, interessante Ergebnisse verspräche. Vgl. Giu­seppe Stefa ni I Greci a Trieste net Settecento (Trieste 1960) 20 ff, besonders 37, wo eine unmißverständliche Abgrenzung gegen den Schahbender cÖmer Aga zum Ausdruck kommt. 54) cOsmän Efendi, der zum Hoga der kaiserlichen Sprachknaben geworden 'Osman Aga b. Ahmed aus Temeschwar, war von 1688 bis 1699 in österreichischer Gefangen­schaft gewesen, darunter 8 Jahre in Wien. Zur Biographie des bisher nur aus seinen vor 1726 verfassten Schriften und Briefschaften bekannten ehemaligen Reiteroffiziers und langjährigen Grenzdolmetschers s. vor allem Leben und Abenteuer des Dolmetschers Osman Aga. Eine türkische Autobiographie aus der Zeit der großen Kriege gegen Öster­reich. Unter Benutzung der Vorarb. von Heinz Griesbach ins Deutsche übertr. u. erl. von Richard F. Kreutei u. Otto Spies {Bonner orientalistische Studien N.S. 2, Bonn 1954). Die 168

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