Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 42. (1992)
WURM, Heidrun: Entstehung und Aufhebung des osmanischen Generalkonsulates in Wien (1726–1732). Eine Relation Heinrich von Penklers aus dem Jahre 1761
Entstehung und Aufhebung des osmanischen Generalkonsulats den Rang eines MIr-i cAlem, eine Titularwürde, wie sie die Pforte früher den an die Höfe der christlichen Mächte geschickten Gesandten zweiter Rangstufe gab47). Dirling wurde von dieser Entscheidung umgehend unterrichtet. Die Abreise cÖmer Agas war für den Herbst vorgesehen48), und da er sich, um seine Ernennung durchzusetzen, finanziell bereits verausgabt hatte, bemühte er sich auch mehrmals um einen möglichst raschen Aufbruch. Dies gelang ihm jedoch nicht mehr 1725, zumal da er sich standesgemäß ausrüsten mußte und ihn dies wiederum eine Menge Geld kostete, ohne daß die Pforte viel dazu beitragen wollte. Am 15. Dezember 1725 hatte der Resident eine Audienz beim Großwesir, bei der das Gespräch auch auf cÖmer Agas Entsendung nach Wien kam49). Dämäd ibrählm Pasa gab zu verstehen, daß er an der Entscheidung, einen Schahbender nach Wien zu entsenden, auf jeden Fall fest- halten werde. Er fände den ßeschluß auch immer besser. Zwar sei man sich bewußt, daß die Pforte nie zuvor solch eine Absicht besessen habe, er jedoch habe schon lange an etwas Derartiges gedacht und den Anlaß jetzt dem Passarowitzer Traktat entnommen. Der Pforte ginge es nicht darum, einen offiziellen Vertreter in Wien zu haben, der sich in die beiderseitigen Staatsangelegenheiten einschalte; diesbezügliche Verhandlungen sollten weiterhin dem kaiserlichen Vertreter in Konstantinopel Vorbehalten bleiben. Was die cÖmer Aga zukommende offizielle Behandlung angehe, bemerkte er, so sei dieser, um seiner Mission mehr Würde zu verleihen, kürzlich zum MIr-i cAlem ernannt worden50). Er hoffe, man werde ihn in Wien auch entsprechend gut aufnehmen. handeln verstand sowie auch ihre Gesetze und Sitten gut kannte. Neben den im Artikel 6 angeführten Aufgaben des Schahbenders nennt cÄsim eine dritte, nachrichtendienstliche, und zwar die Erkundung der Staatsgeheimnisse der übrigen christlichen Mächte neben dem Deutschen Reich. Vgl. a. UzunQar§ili Merkez ve bahriye te$kiläti 274 Anm. 5 (nach cÄsim). 47) MIr-i cAlem („Fahnenfürst“), der traditionell bedeutendste nichtmilitärische Posten mit Offiziersrang im äußeren Hofdienst des Sultans. Ihm oblag u.a. die Obhut über die Standarte des Sultans und das besondere alttürkische Herrscheremblem, die 6 Roßschweife, Gibb u. Bowen Islamic society and the West 1,1 83, 139. Das feierliche sechswöchige öffentliche Zurschaustellen von Roßschweifen des Sultans oder des Großwesirs in Istanbul signalisierte den bevorstehenden Beginn eines Feldzuges, Mouradgea d’Ohsson Tableau 7 (Paris 1824) 389-91. Gemessen an den spärlichen Daten bei Hammer Geschichte 7 100, 341, 369, 445 scheint diese Titularwürde im osmanischen Gesandtschaftswesen nur eine untergeordnete Rolle gespielt zu haben. 48) cÖmer Agas Beglaubigungsschreiben datieren vom 1. RebFI. 1138h. (07.11. 1725), vgl. Hammer Geschichte 9 620 Nr. 3262 u. 3263. 49) Penklers Beschreibung stimmt fast wörtlich mit Dirlings Bericht vom 16. Dez. 1725, HHStA Turcica I 192 Ronv. 3 (1725 Oktober-Dezember) fol. 163 überein. 50) Die Titularwürde eines MIr-i cAlem sollte dem Schahbender die diplomatische Gleichbehandlung mit dem kaiserlichen Residenten bei der Pforte sichern, dazu unten Anm. 58. 167